
Der Kampf gegen mehr Gas-Terminals geht weiter.Bild: dpa / Stefan Puchner
Gastbeitrag
Klimaschutz ist eine Notwendigkeit. Deshalb schreiben hier junge Aktivist:innen von Fridays for Future regelmäßig für watson über das, was sie bewegt – und was sich politisch bewegen muss. In dieser Woche schreibt Yasin Hinz über Hitzewellen in Europa und politisches Desinteresse.
22.08.2025, 15:5922.08.2025, 15:59
Yasin Hinz
Es ist ja nicht so, dass wir es nicht geahnt hätten, doch Deutschlands Wohlstandsseite entdeckt gerade (mal wieder) ihre Liebe zum Gas – und zwar nicht nur im Grill. Plötzlich werden LNG-Terminals wie neue Luxusyachten gehandelt, als wäre fossile Energie die hippe Geldanlage des Jahrzehnts.
Katherina Reiche muss sich von ihren fossilen Gasfantasien verabschieden, komme was wolle. Diese Woche trifft die nächste Hitzewelle. In Europa steigen die Temperaturen auch in diesem Jahr auf Werte, die früher Ausnahmen waren und heute fast schon zur Sommernormalität gehören.
Klimakrise: Kein Gedankenspiel, sondern bittere Realität
Nächte kühlen kaum ab, die Luft steht in den Städten still, Flüsse führen Niedrigwasser, Wälder brennen. Ärztinnen und Ärzte warnen vor einer Zunahme von Hitzeschäden, Krankenhäuser melden mehr Notfälle. Wir erleben die Klimakrise nicht als Prognose für eine ferne Zukunft, sondern als bedrückende Realität, die immer schneller eskaliert und uns zwingt, endlich zu handeln.
Statt aber angemessen zu handeln, fließen Milliarden in neue Gas-Projekte. Flüssigerdgas klingt technisch und modern, ist aber kurz gesagt: fossiles dreckiges Methan, das oft aus Fracking gewonnen wird. Schon bei der Förderung und dem Transport entweichen große Mengen Methan, ein extrem gefährliches Treibhausgas, das in den ersten zwanzig Jahren rund achtzigmal klimaschädlicher wirkt als Kohlendioxid.
Und bei der Verbrennung im Kraftwerk oder in der Industrie wird zusätzlich massenhaft CO₂ freigesetzt. Beides zusammen ist eine klimapolitische Zeitbombe, die uns in eine Sackgasse führt, aus der wir nur mit radikalem Umdenken herausfinden können.
Die Bundesregierung verkauft Gas als Versorgungssicherheit für Deutschland, doch in Wahrheit verlängert es nur unsere Abhängigkeit von fossilen dreckigen Energien und blockiert den Ausbau erneuerbarer Alternativen.
Terminals mit schrägen Versprechungen
Die neuen Terminals entstehen mitten in unserer Natur, in unseren Wohngebieten und in der Nähe unserer Häuser. In Wilhelmshaven, in Brunsbüttel oder auf Rügen, aber auch vor Borkum und in Reichling, wird fossiles Erdgas gefördert und die Terminals werden ausgebaut. Dabei ist klar, Fracking vergiftet unser Grundwasser, macht Menschen krank, zerstört Ökosysteme und lässt unsere Heizkosten horrend steigen.

Yasin Hinz ist Klimaaktivist bei Fridays for Future..Bild: Fridays for Future
Jede neue Anlage bindet Kapital, das dringend in Wind- und Solarenergie investiert werden müsste. Diese Entscheidungen werden in einer Zeit getroffen, in der die Klimakrise für alle sichtbar ist, direkt hier vor unserer Haustür. Waldbrände bei Köln, der niedrigste je gemessene Pegelstand am Bodensee, Extremregenereignisse und Umweltkatastrophen wie die Ahrtalflut 2021, die schon damals Menschen in Deutschland ihrer Existenz beraubt hat.
Im globalen Süden ist das Alltag, dort bedrohen Dürren die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen und zwingen Familien, ihre Heimat zu verlassen. Aber auch hier bei uns sterben Menschen in heißen Sommern an den Folgen der Hitze. Jede neue fossile Investition ist eine Investition in genau diese Krisen. Sicherheit für uns und unsere Umwelt zu schaffen ist Aufgabe der Regierung, doch selten zuvor wurde sie so schlecht erfüllt.
Anfang des Monats kamen wir beim Sommerkongress von Fridays for Future in München zusammen, junge Erwachsene wie ich, die entschlossen gegen diese ungerechte Krise kämpfen. Wir saßen vier Tage zusammen, hörten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu, diskutierten über Strategien und planten Aktionen. Wir vernetzten uns mit Aktivistinnen und Aktivisten aus anderen Ländern, tauschten Erfahrungen aus und lernten voneinander.
Doch immer wieder stellte sich die gleiche Frage: Wie kann es sein, dass Regierungen trotz aller Warnungen immer noch fossile Großprojekte fördern. Wir wissen längst, was nötig ist, nur der politische Wille fehlt, und genau deshalb braucht es den Druck der Straße. Deshalb gehe ich am 20. September auf die Straße. An diesem Tag gehen wir nicht demonstrieren, weil wir nichts Besseres zu tun haben. Wir gehen, weil wir nicht akzeptieren können, dass Milliarden in die fossile Lobby fließen, während sich die Klimakrise zuspitzt.
Klimaschutz ist eine Pflicht für heute
Wir fordern eine Politik, die sich an wissenschaftlichen Fakten orientiert und den Ausstieg aus fossilen Energien nicht weiter aufschiebt. Wir wollen, dass die Verantwortlichen begreifen, dass Klimaschutz keine Option für später ist, sondern eine Pflicht für heute.
Manche sagen, Proteste würden nichts ändern. Aber ohne Druck von der Straße gäbe es heute keinen vorgezogenen Kohleausstieg, keine ernsthafte Debatte über klimaschädliche Subventionen und keinen politischen Diskurs über Klimagerechtigkeit. Veränderung beginnt immer damit, dass viele Menschen klar sagen, dass es so nicht weitergehen kann, und bereit sind, für ihre Überzeugung einzustehen.
Wir werden zeigen, dass wir nicht tatenlos zusehen, wie unsere Zukunft in fossilem dreckigem Gas ertränkt wird. Die Klimakrise ist jetzt, und sie ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Wer am wenigsten zur Erhitzung beigetragen hat, leidet am meisten unter den Folgen, und deshalb kämpfen wir auch für diejenigen, die keine Stimme haben.
Das Wort "Nachhaltigkeit" kann für manche ein richtiges Buzzword sein. E-Autos? Wer braucht denn sowas! Secondhand einkaufen? Ich will doch keine alten Lappen tragen. Sich vegetarisch ernähren? Jetzt reicht's aber wirklich. Andere sehen sehr wohl die Notwendigkeit eines nachhaltigen Lebensstils.
Nachhaltig zu leben bedeutet, auf seinen Konsum zu achten. Für manche Menschen mag es selbstverständlich sein, dass man Anschaffungen gründlich überdenkt, Kaputtes repariert anstatt neu zu kaufen, und darauf achtet, wie man sich möglichst regional und vielleicht auch vegetarisch oder sogar vegan ernähren kann. Andere hingegen wollen einfach leben, ohne ein schlechtes Gewissen wegen eines neuen Autos oder dem dritten Steak der Woche haben zu müssen.