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Frauen-Bundesliga: Professionalisierung ja – aber zu welchem Preis?

Klara Buehl Deutschland, 19, Selina Cerci Deutschland, 15, Linda Dallmann Deutschland, 16 sind enttauescht ueber die Niederlage und das Ausscheiden aus dem Turnier, SUI, Deutschland vs Spanien, Fussba ...
Deutsche Nationalspielerinnen in der Bundesliga werden seltener: Klara Bühl (l.), Selina Cerci und Linda Dallmann (r.).Bild: IMAGO/Eibner
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Start der Frauen-Bundesliga: Vom Wachstum und seinen Schattenseiten

Zwischen Professionalisierung und drohender Abwanderung steht die Frauen-Bundesliga am Scheideweg. Es geht um mehr als Gehälter: um die Frage, welche Identität der Frauenfußball künftig haben soll.
06.09.2025, 08:4306.09.2025, 08:43
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Noch sind sie da. Laura Freigang, Klara Bühl, Elisa Senß – Deutschlands wohl populärste Fußballerinnen. Doch die Frauen-Bundesliga steht vor einer Zäsur. Spätestens im Sommer 2026 könnte eine Abwanderungswelle einsetzen – dorthin, wo die Gehälter höher sind, die Vermarktung professioneller, die Strukturen ausgebaut.

Bislang haben von den diesjährigen EM-Fahrerinnen zwar nur Jule Brand, die von Wolfsburg nach Lyon wechselte, und Sydney Lohmann, die München Richtung Manchester City verließ, den Schritt ins Ausland gewagt. Doch der Trend scheint gesetzt.

Linda Dallmann sagte im Gespräch mit watson, dass es für sie an der Zeit wäre: "Natürlich auch, weil man sich mit Spielerinnen austauscht, die schon im Ausland sind." Ihr Vertrag läuft 2026 aus, ebenso wie der von Klara Bühl, Lea Schüller, Laura Freigang, Elisa Senß, Selina Cerci und Giovanna Hoffmann. Auch sie könnten den Angeboten aus England oder den USA folgen.

Bundesliga-Stars: Das Ausland lockt, der DFB investiert

Zitternde Knie hat man beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit Blick über die deutschen Landesgrenzen nicht. "Ich fühle mich nicht getrieben", sagte die bald abtretende DFB-Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch kürzlich in einer Medienrunde.

Die Konkurrenz aus dem Ausland sei "stark" und zahle "ganz andere Gehälter". Deutschland habe aber vieles richtig gemacht, investiere kontinuierlich, und versuche, "in Zukunft die Topnation zu bleiben".

August 21, 2025, Los Angeles, California, USA: Angel City FC defender SARA DOORSOUN 30 and Angel City FC defender GISELE THOMPSON 20 run toward the tunnel before a NWSL match between Orlando Pride and ...
Auch Sara Doorsoun (l.) wechselte ins Ausland, zum amerikanischen Angel City FC.Bild: IMAGO/ZUMA Press Wire

Spielerinnen blieben nicht zuletzt, weil man ihnen hierzulande eine Perspektive nach der Karriere eröffne. "Mit der guten Infrastruktur können wir punkten", betonte Mammitzsch. "Den Markt aber werden wir nicht stoppen können. Das geht auch im Männerfußball so."

In jenen Worten der DFB-Vizepräsidentin liegt die Spannung, mit der der deutsche Frauenfußball im Hier und Jetzt umgehen muss: Wachstum als Ziel, aber auch die Gefahr, jene Mechanismen zu übernehmen, die den Männerfußball seit Jahren bestimmen.

Mehr Teams, mehr Highlights – und ein Wachstumsplan

Die Weichen für die angestrebte Professionalisierung der Frauen-Bundesliga sind gestellt. Einen Tag vor dem Saisonstart einigte sich der DFB auf die zentralen Eckpunkte eines Wachstumsplans und reichte einen Antrag zur Gründung einer eigenen Frauen-Bundesliga-Gesellschaft beim DFB-Bundestag am 7. November in Frankfurt ein.

Dort sollen weitere Maßnahmen beschlossen werden. Vorgesehen ist "ein auf den Betrieb und die Vermarktung der Frauen-Bundesliga fokussiertes Joint-Venture zwischen DFB GmbH & Co. KG und einem von den Klubs zu gründenden Ligaverband", wie der DFB am Donnerstag mitteilte.

Eine erste strukturelle Neuerung setzt aber schon in der aktuellen Saison ein. Erstmals treten in der Frauen-Bundesliga 14 statt zwölf Teams an. "Das sind 38 Prozent mehr Spiele", sagte Manuel Hartmann, Geschäftsführer Spielbetrieb der DFB GmbH & Co. Damit gebe es "mehr Highlights" und die Chance, "den Frauenfußball dauerhaft präsent zu halten".

Hinzu kommt die Bewerbung für die EM 2029. Heike Ullrich, bisher Generalsekretärin, soll im Präsidium künftig stärker die Verantwortung für den Bereich Frauenfußball übernehmen.

DFB: Strukturarbeit von unten bis oben nötig

"Man muss an den Strukturen arbeiten, dass sich wirklich jede Spielerin auf den Fußball konzentrieren kann", sagte Nationalspielerin Lena Oberdorf dem SID mit Blick auf eine Professionalisierung. Wenn das gelinge, werde das Niveau steigen. "Es kommen mehr Leute ins Stadion, es gibt höhere Einschaltquoten. Da hängt so viel dran."

Aber Obacht: Professionelle Strukturen sollten auch dort vorzufinden sein, wo Karrieren beginnen. Und zwar im Kinder- und Jugendalter. Sechs Bundesligisten verfügen derzeit über ein eigenes Nachwuchsleistungszentrum. Bundestrainer Christian Wück ist das schlicht zu wenig.

Karlsruhe, Deutschland 30. August 2025: DFB - Supercup - Frauen - 2025 / 2026 - FC Bayern M�nchen vs. VfL Wolfsburg Im Bild: Lena Oberdorf FCB beim Warm-Up vor dem Google Pixel Supercup in Karlsruhe / ...
Prangert auch Missstände an: Lena Oberdorf.Bild: iMAGO/Fotostand

Nach dem EM-Aus im Halbfinale gegen Spanien forderte er mehr Ketts und Wamsers, also gut ausgebildete Spielerinnen, "die wir in die Bundesliga bekommen". Nur so entstehe "irgendwann eine Mannschaft, die eben solche Turniere gewinnen kann".

Und genau daran wird derweil gearbeitet. Mammitzsch kündigte an, dass spätestens 2027/28 alle 14 Bundesligisten ein Nachwuchsleistungszentrum betreiben müssen. In der zweiten Liga bleibe es freiwillig.

"Ich würde mir wünschen, dass wir schon einen Schritt weiter wären, aber so einfach ist das nicht", sagte sie und ergänzte: "Wir können uns in fünf Jahren nochmal unterhalten, vielleicht sind wir dann so weit wie die Männer."

Frauenfußball: Zwischen Nahbarkeit und Wachstum

Immer wieder verweist Sabine Mammitzsch auf das andere Geschlecht. Denn dort, im Männerfußball, liegen die Maßstäbe seit Jahrzehnten höher: Gehälter, Fernsehgelder, Stadien, öffentliche Aufmerksamkeit.

Doch an der glänzenden Oberfläche zeigen sich auch Risse – Starallüren, übermächtige Einflüsse von Beratern, ein überhitzter Transfermarkt.

Fußballerinnen hingegen "besitzen noch eine Art der Nahbarkeit", sagte Laura Freigang vor zwei Jahren im Interview mit Sport1. Sie wünsche sich, dass sich der Frauenfußball dieses Gut bewahre. "Insofern möchte ich nicht, dass alles genauso wird wie bei den Männern."

Aber lässt sich dieser Wunsch einlösen, wenn der Frauenfußball weiter wächst?

Mit jeder Investition, mit jedem Schritt in Richtung Professionalisierung rückt der Frauenfußball näher an jene männliche Welt, von der er sich zugleich absetzen möchte.

Wachstum gilt als Bedingung, um international mithalten zu können. Aber Wachstum verlangt eine Entscheidung: Soll der Frauenfußball ein Ort bleiben, an dem Spielerinnen nahbar sind? Oder strebt er nach jenen Millionengehältern, die ihn unweigerlich in die Logik des Geschäfts zwingen?

Der Anspruch, beides zu vereinen, ist Illusion. Man wird wählen müssen.

Start der Frauen-Bundesliga: Vom Wachstum und seinen Schattenseiten
Zwischen Professionalisierung und drohender Abwanderung steht die Frauen-Bundesliga am Scheideweg. Es geht um mehr als Gehälter: um die Frage, welche Identität der Frauenfußball künftig haben soll.
Noch sind sie da. Laura Freigang, Klara Bühl, Elisa Senß – Deutschlands wohl populärste Fußballerinnen. Doch die Frauen-Bundesliga steht vor einer Zäsur. Spätestens im Sommer 2026 könnte eine Abwanderungswelle einsetzen – dorthin, wo die Gehälter höher sind, die Vermarktung professioneller, die Strukturen ausgebaut.
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