Niko Kovač hatte nach 90 Minuten in seinem ersten Spiel als Trainer des BVB nicht viel zu meckern – und das, obwohl sein Heimdebüt gegen den VfB Stuttgart mit 1:2 verloren ging.
"Die Jungs haben heute alles gegeben. Wir hätten hier nicht als Verlierer vom Platz gehen dürfen. Die Mannschaft hat einiges ganz gut umgesetzt", sagte er bei Sky. Die Führungsspieler hätten Verantwortung übernommen, jeder hätte 100 Prozent Einsatz gezeigt, lediglich die Entscheidungsfindung im gegnerischen Strafraum sei nicht gut gewesen.
Neuer Trainer, also alles gut beim BVB? Nicht ganz.
TV-Experte Didi Hamann sah das etwas anders und redete sich bei Sky in Rage, holte zum Rundumschlag aus und zählte konkret vier Top-Stars an.
"Diese Dortmunder Mannschaft muss irgendwann mal erwachsen werden", sagte Hamann. "Es hilft dir keiner, wenn um 15.30 Uhr angestoßen wird. Du kannst einen Matchplan, Sportdirektor, Präsidenten haben, wen du willst. Du musst machen und bist auf dich allein gestellt. Das schaffen sie seit Jahren nicht konstant."
Er forderte von der Mannschaft, dass sie auf dem Platz Verantwortung übernimmt und Lösungen findet, wenn es mal nicht nach Plan läuft. "Sie müssen mal rausgehen und dürfen nicht schon vor dem Spiel nach Ausreden suchen."
Doch genau an diesem Umstand hapert es seit einiger Zeit. "Wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen, gibt es wenig schlechtere Mannschaften als die Dortmunder", bilanzierte daher Hamann.
Die Mentalität spricht er der Mannschaft nicht ab. "Natürlich liegt es nicht am Willen. Aber das ist brotlose Kunst. Da kommt nichts dabei rum."
In diesem Zusammenhang nimmt der 51-jährige Experte auch die Führungsspieler und Neuzugänge in die Pflicht. Stürmer Serhou Guirassy sei für viel Geld gekommen, und müsse eben aus dem Nichts eine Chance kreieren.
Zwar steht er bei 18 Pflichtspieltoren in 27 Partien, aber "für mich ist es auch nicht genug." Waldemar Anton könne für sein Eigentor am Samstagnachmittag nichts, sei aber "bisher enttäuschend". Pascal Groß sei ebenfalls "eine große Enttäuschung" und mit Maxi Beier kommt "ein junger Spieler auch nicht wirklich ins Laufen."
Für das Quartett zahlte der BVB im Sommer 76 Millionen Euro Ablöse.
Dass die Mannschaft nach den vergangenen Wochen kein Selbstvertrauen hätte, wollte Hamann nicht als Ausrede gelten lassen. "Dann musst du dir das im Training holen. Da kann dir kein Trainer helfen, der kann dir nur gut zureden. Du musst das Samstag um 15.30 Uhr machen, aber das passiert Woche für Woche nicht. Irgendwann musst du Verantwortung übernehmen."
Als Beispiel für den BVB diene der VfB Stuttgart, der vor eineinhalb Jahren fast abgestiegen wäre, sich unter Sebastian Hoeneß aber zu einem Spitzenteam entwickelt hätte.
Er sei immer der Meinung gewesen, die Dortmundern seien besser als ihr Tabellenplatz. "Aber langsam fange ich an zu zweifeln."
Aktuell ist die bittere Wahrheit: Platz elf, sechs Punkte Rückstand auf Champions-League-Platz vier.
"Der Niko muss schauen, dass er den Spielern das Alibi nimmt. Irgendwann müssen sie aufwachen und sehen, was sie für eine Verantwortung haben, für Borussia Dortmund zu spielen. Das ist der zweitgrößte Verein, im Moment ist er es nicht mehr." Ob das in zwei, drei Jahren wieder der Fall sein werde, zweifelt er zumindest an.
Dennoch: "Sie verdienen am zweitbesten in der Liga, sie haben die meisten Zuschauer, haben wahrscheinlich die größten Fan-Gruppen hinter sich. Das ist eine Chance, aber das ist auch eine Verantwortung. Dieser Verantwortung werden die Spieler seit Wochen und Monaten nicht gerecht."
Bereits am Dienstag geht es im Play-off-Hinspiel der Champions League gegen Sporting Lissabon. "Die Arbeit ist möglicherweise sehr viel schwerer, als er sich vorgestellt hat", wagt Hamann eine düstere Prognose für die Zukunft von Niko Kovač beim BVB.