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BVB: Hans-Joachim Watzke verkennt das Ausmaß der Dortmunder Probleme

05.02.2025, Sportbusiness-Konferenz SpoBis im CCH Congress Center in Hamburg: Dortmunds Gesch
Hans-Joachim Watzke ist aktuell noch Vorsitzender der Geschäftsführung beim BVB. Bild: IMAGO images / Kirchner-Media
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Hans-Joachim Watzke verkennt das Ausmaß der Probleme beim BVB

11.02.2025, 16:43
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Ruft man auf der Vereinswebsite des BVB das Profil von Hans-Joachim Watzke auf, findet man einige grundlegende Informationen über den Vorsitzenden der Geschäftsführung. Er kam 1959 in Merseburg zur Welt, 1978 hat er sein Abitur abgeschlossen, nach dem Studium eine erfolgreiche Firma aufgebaut.

Vor allem aber liegt der Fokus in den drei Absätzen auf den Erfolgen, die Borussia Dortmund unter der Führung Watzkes zu verzeichnen hatte. Die Abwendung der Insolvenz Anfang des Jahrtausends, die Meisterschaften unter Jürgen Klopp und die großen Nächte in der Champions League.

"In der Europapokal-Saison 2024/25 nimmt der BVB zum 19. Mal insgesamt und zum neunten Mal in Serie an der UEFA Champions League teil. Übertroffen wird diese Konstanz nur von vier Vereinen: von Real Madrid, FC Barcelona, Manchester City und Bayern München", heißt es auf der Website des BVB.

Nun darf man davon ausgehen, dass Watzke diese Zeilen nicht selbst getippt hat. Vielleicht aber hat er einen gewissen Schwerpunkt vorgegeben. Ganz gewiss hat er als Vorsitzender der Geschäftsführung in den vergangenen Jahren geprägt, wie Borussia Dortmund denkt.

Aus der Betonung dieser Zeilen liest sich ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl heraus. Der BVB als einer der Global Player, einer der ganz großen Klubs. Und irgendwo stimmt das ja: das gewaltige Stadion, das internationale Fanaufkommen. Und neun Jahre in Folge hat sich Borussia Dortmund tatsächlich für die Königsklasse qualifiziert, die Zahl ist nicht erfunden.

Titel sind beim BVB zur Mangelware geworden

Aber eines unterscheidet den BVB dann doch ganz wesentlich von Real Madrid, dem FC Barcelona, Manchester City und dem FC Bayern: Die Schwarz-Gelben haben die Champions League in diesem Jahrtausend nicht gewonnen.

Generell ist die Titelausbeute für einen Verein, der sich auf seiner eigenen Website in einem Atemzug mit Rekordmeistern und Seriensiegern nennt, zuletzt ziemlich mager gewesen.

2017 und 2021 holte der BVB zumindest noch den DFB-Pokal, in der Bundesliga aber ist die Qualifikation für die Champions League das höchste der Gefühle. So gesehen wäre es womöglich gar passender, wenn sich etwa Shakhtar Donezk mit derartigen Zeilen schmückt. Die Ukrainer sind die achte Saison in Folge dabei, seit 2010 sogar einmal häufiger als der BVB. National räumen die Ukrainer on top regelmäßig ab.

BVB: Hans-Joachim Watzke sieht Probleme als Momentaufnahme

Anders als Borussia Dortmund. In der Bundesliga dümpelt der Traditionsklub im Mittelfeld der Tabelle herum, belegt momentan den elften Rang. Womit wir wieder bei Watzke wären. Denn der hat das aktuelle Geschehen beim BVB mehr oder weniger als Momentaufnahme eingeordnet.

"Wir haben das erste Mal seit zehn Jahren eine problematische Situation. Dafür ist mir die Kritik zu hart", sagte der 65-Jährige bei der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain.

Es passt zu dem Bild, was sich basierend auf seinem Profil auf der Vereinswebsite schon gezeichnet hat. Borussia Dortmund gehört doch eigentlich zu den ganz Großen, macht grundsätzlich fast alles richtig und hat einfach mal eine schlechte Saison, wie sie der FC Liverpool oder Bayer Leverkusen auch schon einmal hatten.

Mit dieser Einordnung verkennt der BVB-Boss die wahren Ausmaße der Dortmunder Probleme. Denn deren Wurzeln führen weiter zurück als bis zum vergangenen Sommer. Schon die Jahre unter Edin Terzić waren von spielerischer Rückentwicklung geprägt.

Spielerische Armut, ein Kader mit Baustellen: die Probleme des BVB

Dass sich die Borussen 2023 mit einem guten Lauf und dank schwächelnder Bayern noch ins Titelrennen einschalten konnten, täuscht ebenso darüber hinweg wie der CL-Run aus der Vorsaison. Auch in dem Fall profitierte der BVB oftmals von Glück, etwa den vielen Aluminiumtreffern von PSG, sowie individueller Klasse.

In der Vorsaison war es in der Königsklasse oftmals Mats Hummels, in der Bundesliga das Jahr zuvor Jude Bellingham. Davor holte allzu oft Erling Haaland die Kohlen aus dem Feuer.

Jene Ausnahmekönner aber werden beim BVB immer seltener, immer häufiger greift Sebastian Kehl daneben. Der Kader wirkt zunehmend unausgewogen. Dennoch wurde mit dem Sportdirektor verlängert. Sven Mislintat wiederum, der in der Vergangenheit viele werthaltige Spieler für den Verein entdeckt hat, musste nach internen Auseinandersetzungen gehen. Auch das ist ein Teil des Problems.

Mindestens kurios mutet am jüngsten Auftritt von Watzke darüber hinaus noch eine weitere Aussage an. "Wir sind zum permanenten Überperformen verdammt. Wenn wir das nicht tun, haben wir ein Problem", sagte der BVB-Boss.

Der BVB unterperformt schon seit Jahren

Zur Einordnung: Gemessen am Umsatz ist Borussia Dortmund seit Jahren die mit Abstand zweitstärkste Kraft im deutschen Fußball. Nun ist Geld nicht alles, aber im modernen Fußball ein zunehmend besserer Indikator für Erfolg. Als zweitstärkste Kraft überzuperformen würde also heißen, Erster zu werden.

Das ist dem BVB nachweislich nicht gelungen. Die vier Spielzeiten nach Lucien Favre hat Borussia Dortmund im Schnitt mit 66,75 Punkten beendet. Mit einer solchen Ausbeute wurde man in der Bundesliga zuletzt nur noch Dritter.

Also im Schnitt, denn de facto war der BVB im Vorjahr sogar nur noch Fünfter. Dass das überhaupt noch für die Champions League gereicht hat, lag einzig an der Reform der Königsklasse.

Watzke täte gut daran, in seinen letzten Monaten im Amt intern andere Einordnungen zu äußern, als er dies auf öffentlichen Wegen macht.

Um baldige Augenhöhe mit dem FC Schalke 04 muss er sich zwar noch nicht sorgen. Zieht der BVB aber selbst aus diesem Jahr nicht die richtigen Konsequenzen, drohen Klubs wie Leverkusen, Leipzig, Frankfurt und Stuttgart zu enteilen. In Watzkes so toller BVB-Vita würde sich das als Abschluss nicht sonderlich gut machen.

Keine CL, kein Trainereffekt: die Baustellen des BVB

Vier Pleiten in sechs Ligaspielen. Die Bilanz von BVB-Trainer Niko Kovač in der Bundesliga liest sich alles andere als gut. Der 53-Jährige konnte die Misserfolge in der Liga in den ersten eineinhalb Monaten allerdings durch das Erreichen des Champions-League-Viertelfinals übertünchen.

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