In der Serie Unvergessen blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein großes Ereignis der Sportgeschichte zurück. Diesmal: 28. August 1972: Nachdem der Amerikaner Mark Spitz vier Jahre zuvor bei den Olympischen Spielen in Mexiko City sich und sein Umfeld enttäuscht hatte, nimmt er in München Revanche – und wie.
Mark Spitz ist das älteste von drei Kindern und kommt am 10. Februar 1950 auf die Welt. Kaum kann er selbstständig laufen, bringen seine Eltern, Lenore und Arnold Spitz, ihm das Schwimmen bei.
Als sein Sohn zwei Jahre alt ist, findet Vater Spitz, ein Geschäftsmann im Stahlbusiness, eine Stelle in Honolulu, der Hauptstadt von Hawaii. Spitz Junior schwimmt jeden Tag seine Längen am berühmten Waikiki-Strand.
Nach ein paar Jahren zieht die Familie nach Kalifornien zurück. Mark Spitz beginnt im lokalen Schwimmklub zu trainieren. Sein Vater lehrt ihm dabei immer die Wichtigkeit, Erster zu werden. Bevor er zehn Jahre alt ist, hält Spitz 17 nationale Altersrekorde.
Mit 15 Jahren gewinnt Mark Spitz bei den Maccabiah Games 1965 in Tel Aviv vier Goldmedaillen und wird zum herausragenden Athleten gewählt. Ein bewegender Moment für die Familie Spitz, die jüdischer Abstammung ist.
Dies ist nur der Anfang eines langen Triumphzugs für Spitz. Mit 16 Jahren gewinnt er den ersten (von insgesamt 31) nationalen Meistertiteln über 100 Meter Brust. Im folgenden Jahr gelingt ihm der erste Weltrekord bei einem kleinen Schwimmevent in der Heimat. Er schwimmt die 400 Meter Freistil in 4:10,60 Minuten.
Mit neun weiteren Weltrekorden im Gepäck reist Spitz als große Medaillenhoffnung zu den Olympischen Sommerspielen 1968 in Mexiko City. Er prognostiziert sechs Goldmedaillen, doch der Ausflug verkommt zur brutalen Enttäuschung. Nur zweimal Team-Gold mit der Staffel sowie je einmal Silber und Bronze springen für ihn heraus.
Die Schlappe bringt Spitz dazu, die Westküste zu verlassen und für die Indiana University Hoosiers zu schwimmen, wo der legendäre Trainer mit dem passenden Namen Doc Counsilman unterrichtet. "Dies ist die wichtigste und beste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe", meint Spitz später.
Vier Jahre später will Mark Spitz Revanche nehmen. Inzwischen hat er von seinen Teamkollegen den Spitznamen "Mark the Shark" verpasst bekommen. Nun will er bei den Olympischen Spielen in München endlich die (eigene) Messlatte von sechs Goldmedaillen knacken.
Am 28. August 1972 geht er über 200 Meter Schmetterling an den Start und holt erstmals Gold mit Weltrekordzeit. In der 4x100-Meter-Freistil-Staffel legt er am selben Tag nach, wiederum in Weltrekordzeit. In diesem Stil geht es munter weiter: Nach sechs Rennen stehen sechs Goldmedaillen und sechs Weltrekorde auf seinem Konto.
Vor dem letzten Rennen zeigt er nur Minuten vor dem Start erstmals Anzeichen von Nervenflattern: "Ich weiß, ich sage vor jedem Rennen, dass ich nicht schwimmen will. Aber diesmal meine ich es ernst. Wenn ich sechs Rennen schwimme und sechs gewinne, werde ich ein Held sein. Wenn ich sieben schwimme und sechs gewinne, werde ich ein Versager sein", sagt er zu einer ABC-Reporterin.
Spitz gewinnt das Rennen knapp und holt somit auch im siebten Rennen Gold – natürlich mit Weltrekord. Zugleich sprengt Spitz damit alle damals bekannten Rekorde bei Olympischen Spielen.
Auf dem Höhepunkt tritt der Überschwimmer im jungen Alter von 22 Jahren zurück: "Ich kann aufhören mit dem Gedanken, dass ich es nicht besser machen konnte."
Danach macht Spitz einen Abstecher ins Showbusiness und vermarktet seine Erfolge. 18 Jahre später, im biblischen Alter von 41 Jahren, versucht er sich 1992 für die Olympischen Spiele in Barcelona zu qualifizieren, nachdem ihm ein Filmemacher eine Prämie von einer Million Dollar für eine erfolgreiche Qualifikation bietet.
Mark Spitz scheitert knapp in der Qualifikation, obwohl seine Zeiten fast so gut sind wie in seiner Aktivkarriere zwanzig Jahre zuvor. Nur zwei Sekunden fehlen Spitz zum Geldregen. Der glückliche Familienvater hat es verschmerzen können, finanziell hatte er da schließlich schon längst ausgesorgt.
Für die Ewigkeit hielt Spitz' Olympia-Rekord übrigens nicht. 2008 in Peking holt ein gewisser Michael Phelps sogar achtmal Gold. Mit 23 olympischen Goldmedaillen, drei silbernen und zwei bronzenen ist der US-Amerikaner auch der erfolgreichste Olympionike aller Zeiten. Immerhin: Spitz liegt in dieser Wertung mit 9/1/1 noch immer auf Rang 4.