Superman ist ein uramerikanischer Held. Die Comic-Figur trat erstmals im Jahr 1938 auf. Kurze Zeit später kämpfte sie gegen Nazis und verärgerte Propagandaminister Joseph Goebbels. In einer Reichstagssitzung fiel der Goebbels-Satz "Superman ist ein Jude!".
Superman ist auch deshalb ein uramerikanischer Held, weil er wie (fast) alle US-Amerikaner:innen migrantische Wurzeln hat. Nahezu jede Verfilmung der Comic-Vorlage beginnt mit der Ursprungsgeschichte von Clark Kent, der als Kal-El auf dem Planeten Krypton geboren wird. Um ihm das Leben zu retten, schicken ihn seine Eltern in einer Sonde auf die Erde.
Letzteres ist Popkultur-Grundwissen. Wer sich rudimentär mit Filmen, Serien und Comics beschäftigt, weiß das alles. Warum muss man es trotzdem nochmal erklären?
Seit Mittwoch läuft der neue "Superman" mit David Corenswet in den Kinos. James Gunn startet mit dem Blockbuster das sogenannte DC Universe – ein neues, in sich geschlossenes Universum.
Nicht nur, aber auch, weil Gunn Superman in einem Interview im Vorfeld als "Einwanderer" bezeichnete, entbrannte zuletzt eine Woke-Debatte um den Film. Das Fachblatt "Variety" schreibt von einem "konservativen Backlash" gegen den DC-Blockbuster.
Im Zentrum dieses Backlashs steht Dean Cain, der Superman von 1993 bis 1997 in der ABC-Serie "Lois & Clark" spielte. Cains Aussagen werden auf Social Media gerade nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen.
Gegenüber "TMZ" drückte er seine Befürchtung aus, die Superman-Figur könne "woke" werden. Der Ausdruck, der eigentlich nur kulturelle Sensibilität beschreibt, wird zunehmend als Kampfbegriff genutzt.
"Wie woke wird Hollywood diese Figur machen?", fragte Dean Cain rhetorisch. "Wie sehr wird Disney sein Schneewittchen verändern? Warum werden sie diese Figuren verändern, um in der heutigen Zeit zu bestehen?" Dass Gunn Superman als Einwanderer beschrieb, bezeichnet Cain im weiteren Verlauf des Statements als "Fehler".
Irgendjemand musste das geraderücken und ausnahmsweise lief X mal wieder zur Hochform auf. Fans fanden etwa eine Szene aus der "Superman"-Serie, in der Dean Cain in seiner Rolle als Superman dazu aufgefordert wird, sich eine Greencard zu besorgen, das Ausweisdokument für US-Einwander:innen.
Der Schauspieler erhielt auf X aber auch sachlichen, inhaltlichen Gegenwind:
Oder sehr einfach ausgedrückt: "? Er kommt buchstäblich von einem anderen Planeten. Willst du damit sagen, dass er US-Bürger ist?"
Der Fairness halber: Cain weicht seine Aussagen in dem "TMZ"-Artikel ein wenig auf. Er erklärt: "Superman hat immer für Wahrheit, Gerechtigkeit und den amerikanischen Weg gestanden, und der amerikanische Weg ist einwandererfreundlich."
... bevor er sich im nächsten Satz jedoch in weiteren wirren Ausführungen verliert: "Aber es gibt Regeln. Man kann nicht kommen und sagen: 'Ich will alle Regeln in Amerika abschaffen, weil ich möchte, dass es mehr wie Somalia ist.'"
Die Debatte zeigt: Die Messlatte für derartige Abwehrreaktionen aus dem rechtskonservativen Lager liegt vor allem in den USA scheinbar immer niedriger. Der von Dean Cain als Beispiel für "Woke Culture" angeführte "Schneewittchen"-Film etwa geriet in die Schusslinie der konservativen MAGA-Bewegung, weil Hauptdarstellerin Rachel Zegler kolumbianische Wurzeln hat.
Bei "Superman" genügte nun schon die korrekte und allgemein bekannte Benennung des Hintergrundes. Laut "Variety" kündigten mehrere konservative US-Meinungsmacher:innen an, den Film aufgrund der Gunn-Aussagen nicht zu schauen.
"Wir gehen nicht ins Kino, um uns belehren zu lassen und uns von jemandem seine Ideologie aufdrücken zu lassen", sagte Kellyanne Conway in einer Fox-Sendung. Die ehemalige Wahlkampfmanagerin von Donald Trump prägte den Begriff "alternative Fakten".
Bei der Premiere von "Superman" ließ James Gunn die Debatte an sich abperlen. Er habe nichts zu irgendjemandem zu sagen, der Negativität verbreite. "Ich denke, es ist ein Film über Freundlichkeit und ich denke, das ist etwas, mit dem sich jeder identifizieren kann."