Am Mittwoch ging der Prozess gegen Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder in die 101. Runde. Beim vorherigen Verhandlungstag stand noch die Aussage von Rapper Shindy im Mittelpunkt, die er im Mai 2019 tätigte. Dazu sagte ein Polizeibeamter aus, der damals anwesend war. Nun aber ging es um die brisante Tonbandaufnahme, die vom 18. Januar 2018 stammen soll und über die zuerst der "Stern" berichtete. An diesem Tag sei Bushido laut eigenen Angaben bedroht, eingesperrt und mit einer Wasserflasche beworfen worden.
Auf der Aufnahme ist davon allerdings nichts zu hören. Der Rapper und sein Anwalt Steffen Tzschoppe zweifelten bereits deren Echtheit an. Tzschoppe betonte, dass durch die Aufnahme der Prozess künstlich um 14 Monate verlängert werde. Mit der Tondatei werde versucht, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Jetzt sollte nach langem Warten endlich das Gutachten dazu vorgestellt werden.
Der Vorsitzende Richter Martin Mrosk bat den Sachverständigen zu Beginn der Verhandlung Platz zu nehmen. Der 53-Jährige war für den Prozess aus Wien angereist. Er betonte, keine Kenntnis zu dem Fall zu haben. Zudem merkte er an: "Ich kenne auch die sprechenden Personen nicht. Mir fehlt da jeglicher Kontext." Und weiter: "Ich bin der arabischen Sprache nicht mächtig." Im Deutschen hätte er beispielsweise beurteilen können, ob ein Satz aus dem Kontext gerissen worden sei, hier könne er das nicht.
Der erste Eindruck bezüglich der Tondatei sei gewesen, dass die Störgeräusche die Untersuchung erschwert habe. Zu seiner Vorgehensweise erklärte er: "Viele Untersuchungsverfahren fallen weg, da das Aufnahmegerät unbekannt ist." Das Format, welches er bekommen habe, sei eine MP3-Datei gewesen.
Zuvor wurde bereits bekannt, dass die ursprüngliche Aufnahme eine M4A-Datei sei. Bei der Datei, die dem Sachverständigen vorgelegt wurde, würden zudem die Metadaten fehlen. Der 53-Jährige merkte an, dass die Datei, die er habe, "ein sehr einfaches Format" sei. Mit Blick auf die Aufnahme sagte er, dass sich darauf "unterschiedliche Geräuschkulissen, Platzveränderungen" finden würden. Die Untersuchung wäre für ihn ergiebiger gewesen, wenn das Aufnahmegerät bekannt gewesen wäre.
Der Sachverständige wies darauf hin, dass es ein "scharfkantiges Ende" gebe. Zudem merkte er an: "Ich weiß nicht, ob es vor dem Start noch eine andere Aufnahme gibt." Besonders bezeichnend sei die Aufnahme nach einer Stunde und 56 Minuten. Hier habe er ein "auffälliges Szenario" festgestellt. Was davor und danach komme, würde möglicherweise nicht zueinander passen. Eine klare Antwort darauf, ob es eine Manipulation gegeben habe, könne man allerdings nicht geben, an besagter Stelle sei er aber "zuversichtlich, dass es Auffälligkeiten gibt".
Dennoch meinte er im Hinblick auf die Aufnahme: "Wir hören akustische Störgeräusche. Es bedeutet nicht, dass das Kratzen oder Rauschen auf Manipulation hinweist." Die Frage nach einer Manipulation sei somit leicht gestellt. Ein möglicher Sprung wäre innerhalb der Datei zu erkennen, die Auffälligkeit könne auch mit einem Ortswechsel zu tun haben oder ein Hinweis dafür sein, "dass zwei verschiedene Aufnahmen aufeinander prallen".
Und weiter: "Zur Authentizität: In dem Fall gibt es keine Metadaten, das Aufnahmegerät ist nicht das Original." Ein Mikrofon könnte verdeckt an der Kleidung getragen worden sein. Zudem gebe es "Sprechpausen, die auf den Kontext bezogen auffällig sind. Es kann aber auch ein Stilmittel sein, das ist schwer zu sagen". Oberstaatsanwältin Petra Leister wollte schließlich wissen, ob es bei den auffälligen Stellen möglich wäre, dass "Teile raus- und reingeschnitten" worden seien.
Der Sachverständige betonte: "Das können wir nicht ausschließen, es besteht immer die Möglichkeit." Verteidiger Hansgeorg Birkhoff fragte konkret nach, ob "diesbezüglich Feststellungen getroffen" worden seien. Dies verneinte der Sachverständige. Sein Fazit lautete im Hinblick auf die umgewandelte MP3-Datei so: "Nur, weil man etwas nicht findet, bedeutet das nicht, dass die Angelegenheit zweifelsfrei unverändert ist." Zum Schluss wurde klar, dass es keine Antwort darauf gab, ob die Datei manipuliert wurde oder nicht.
Der Sachverständige präsentierte in der rund zweistündigen Aufnahme zwar Stellen, die Auffälligkeiten beinhalteten, ob dies allerdings auf Manipulation zurückzuführen sei, blieb offen. Zwar könne er nicht ausschließen, dass Elemente raus- oder reingeschnitten wurden, weitere Erkenntnisse habe er dazu aber nicht. Der Sachverständige wies am Ende darauf hin, dass er wieder jederzeit gern eine Untersuchung vornehme, wenn noch eine Datei vorliege. Am 16. August geht es weiter mit dem nächsten Prozesstag, bis Mitte November gibt es weitere Termine.
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