Leben
Mama-Kolumne

Warum ich mich als Mutter mit meinem Kind in einer Dauerwarteschleife befinde

Tired mother looks on her child playing on the bed
Warten, dass das Baby schläft. Warten, dass die Kinder abgestillt sind, laufen können, unabhängiger werden. Unsere Autorin befindet sich, seit sie Mutter ist, in einer Dauerwarteschleifenull / Sergiy Tryapitsyn
Mama-Kolumne

Warum ich mich als Mutter in einer Dauerwarteschleife befinde

Mehr «Leben»
"Schonungslos ehrlich" – die Mama-Kolumne ohne Insta-Filter
26.06.2022, 10:1109.01.2023, 12:11

Ich warte, dass das Baby doch bitte endlich schläft, um mich an Texte, die Wäsche und mein Mittagessen zu machen. Ich warte darauf, dass meine Eltern hoffentlich bald fragen, wann sie wieder zum Kindersitten vorbeikommen sollen. Ich warte jeden Abend, dass mein Mann endlich nach Hause kommt. Ich warte auf eine Antwort der Tagesmutter bezüglich eines Betreuungsplatzes. Ich warte, dass der Kindergarten nach einem langen Wochenende endlich wieder öffnet. Ich warte auf den nächsten Urlaub.

"Gestern las ich auf Instagram den Post einer Influencerin und Mutter, die darüber schrieb, dass man in Wahrheit nie ankomme."
Bild
Unsere Autorin...
... wurde mit Anfang 30 Mutter. Und kommt noch immer nicht damit klar, dass ihr altes, schönes Leben seitdem vorbei ist. Sie ist wütend, dass Eltern nie den Mut hatten, zu erzählen, was es wirklich bedeutet, ein Kind zu haben. Aus diesem Grund legt sie alle zwei Wochen den Finger in die Wunde – und berichtet schonungslos. Und weil sie weiß, dass Mütter sehr giftig werden können, wenn es um ihr Heiligstes geht, bleibt sie lieber anonym. Die täglichen Entrüstungsstürme ihres Sohnes reichen ihr völlig aus.

Gestern las ich auf Instagram den Post einer Influencerin und Mutter, die darüber schrieb, dass man in Wahrheit nie ankomme. Dass sie endlich aufhören würde, zu warten. Und dass alles, was dazwischen passiere, eben das Leben sei. Diese eigentlich banale Erkenntnis schlug voll bei mir ein.

Und mir wurde bewusst, dass ich mich, seit ich Mutter bin, in einem Dauerwartezustand befinde – immer ein fernes Ziel vor Augen. Wenn ich das erst mal erreicht habe, denke ich, wird alles besser. Doch mit jedem Etappenziel bleibt die Unzufriedenheit, weil sich bereits das nächste auftut, von dem ich mir die endgültige Erfüllung erhoffe.

"Ich bin eine bessere Mutter, wenn ich mein Kind stundenweise abgebe."

Seit Tag eins warte ich darauf, dass sie groß werden. Ich warte, dass sie krabbeln, damit sie ausgeglichener werden. Dann, dass sie laufen, damit ich sie nicht mehr tragen muss. Dass sie abgestillt sind, damit ich unabhängiger bin. Dass sie sprechen, um endlich zu verstehen, was sie von mir wollen. Anschließend sehne ich den Tag herbei, an dem sie Kita-Kinder werden, damit ich wieder frei sein und arbeiten kann. Dass sie in den Kindergarten kommen, in die Schule, und dann? Dass sie endlich ausziehen?

Manchmal frage ich mich, ob ich darauf hinarbeite, erwachsene Kinder zu haben, um die ich mich nicht mehr kümmern muss. So dass ich lediglich die Vorteile genießen kann. Oder, noch weitergedacht, wäre Großmutter sein nicht das Nonplusultra?

Nicht selten warte ich bereits vormittags darauf, dass es 19 Uhr wird und wir die Kinder ins Bett bringen können. Finito, Tagesziel erreicht, durchatmen. Warum kann ich den Moment nicht genießen? Das banale Spielen mit meinem Kind, das berühmte ihnen beim Aufwachsen zusehen, was immer so klingt, als müsste man nichts anderes tun als eben nur zuzuschauen, wie sie sich entwickeln? Bin ich zu ungeduldig? Bin ich für das ganze Baby-und-Kleinkind-Alter nicht gemacht? Liebe ich meinen Job zu sehr? Bin ich nicht belastbar genug?

Oder, ein anderer Gedanke: Bin ich nicht dankbar genug? Das werden sich all jene denken, die keine Kinder bekommen können, die pflegebedürftige oder verstorbene Kinder haben.

Abstand vom Kind, um sich auf das Wiedersehen zu freuen

Ich glaube: Es ist alles zu viel und ich bin zu viel allein mit beiden Kindern. Der Post hat mich daran erinnert, dass ein Leben mit Kindern nicht bedeutet, darauf hinzuarbeiten, sie mit 18 Jahren möglichst gut gelungen der Erwachsenenwelt zu übergeben. Und wenn mir der Weg dorthin phasenweise sehr beschwerlich vorkommt, ist es meine Aufgabe, ihn so gut es geht zu ebnen.

Mit Hilfe von außen, mit Veränderungen unserer Aufgabenverteilung. Ich weiß inzwischen, dass ich eine bessere Mutter bin, wenn ich mein selbst noch kleines Kind stundenweise abgebe, um meine eigenen Projekte zu verfolgen. Denn dann passiert es tatsächlich manchmal, dass ich es kaum erwarten kann, meine Kinder wieder zu sehen. Mit anderen Worten: Wir suchen ein Au-Pair!

Warum wir unsere Trigger selten kennen – und das Wort dennoch zu oft verwenden

Manchmal braucht es nur einen bestimmten Tonfall oder eine Geste, um einen wahren Sturm der Gefühle auszulösen, der uns wie ein Hurrikan mitreißt und jede Vernunft auf dem Weg niedermäht wie Ferienhäuser in Florida.

Zur Story