Social Media
Der
Rasierklingenhersteller Gillette will aus seinen Kunden bessere
Männer machen. Aus übergriffigen Bossen, mobbenden Jungs und Machos
am Grill sollen gefestigte Persönlichkeiten im Geist von #Metoo
werden.
"Ist das das Beste, was Männer sein können?", heißt
es in dem zwei Minuten langen Film auf Englisch für die
internationalen Märkte. Seinen einst stolzen Anspruch ("Das Beste im
Mann") hat der Klingenfabrikant zur Haltungsfrage umgedeutet.
Haltung in der Werbung liegt im Trend
Ob neue Frauen- und
Männerbilder, Klimawandel oder Integration – wer mit
gesellschaftlichen und politischen Statements wirbt, kann sich der
Aufmerksamkeit sicher sein.
Smartphone und soziale Medien hätten zu einem enormen
Beschleunigung der Kommunikation beigetragen, sagt der Werbefachmann
André Karkalis. Selbst Unternehmen mit Milliardenumsätzen und
riesigen Werbebudgets hätten Schwierigkeiten, sich im Stimmenwirrwarr
Gehör zu verschaffen.
"Wir haben gelernt, Werbung auszublenden."
Karkalis, der in Düsseldorf und München eine PR-und Kommunikationsagentur betreibt.
Dem Experten zufolge versuchen daher immer mehr Firmen, sich daher in
gesellschaftliche Debatten einzuklinken.
Ein Beispiel: Wenn im Namen von Katjes eine Frau mit Kopftuch für veganes
Fruchtgummi (ohne Schweinefleisch-Gelatine) wirbt, steigt sofort die
Aufmerksamkeit – und gerne auch mal Wut – in den sozialen Medien. Dass sich das Unternehmen mit
seiner Botschaft damit vor allem an Muslime richtet, immerhin etwa
sechs Prozent der Bevölkerung in Deutschland, birgt Konfliktstoff in
sich.
Das ist der Werbespot, den der Experte erwähnt:
Mit dem Spot wolle Katjes junge Muslimas ansprechen, für die der
Verzicht auf tierische Gelatine eine bedeutende Rolle spiele,
begründete die Firma die Kampagne. Die Frauenzeitschrift "Emma" sah
den Spot mit dem Kopftuch als "Normalisierung eines
reaktionär-fundamentalistischen Frauenbildes".
Und noch ein Beispiel:
So schlug in den USA etwa auch die Kampagne von Nike
("Just do it") mit dem Football-Spieler Colin
Kaepernick hohe Wellen. Der ehemalige Quarterback aus San Francisco hatte eine
Krise in der patriotisch gestimmten NFL-Welt ausgelöst.
Bei einem
Spiel seiner Mannschaft hatte sich Kaepernick nicht zur Nationalhymne
erhoben. Er wolle sich nicht zu einer Flagge bekennen, in deren Namen
schwarze Menschen unterdrückt werden. Kurz davor hatte die Polizei
drei Schwarze erschossen. Kaepernick flog aus der Liga und hat bisher
kein Team gefunden.
Kaepernick im Vorfeld eines Footballspiels mit protestierenden Teamkameraden im Jahr 2016. Bild: Getty Images
Nikes Aktie fiel zwar zunächst in den Keller. Doch wer nun die
Sneakers am Fuß hatte, zeigte, auf wessen Seite er oder sie stand.
US-Präsident Donald Trump brachte der Spot allerdings auf die Palme.
"Virtue signaling" nennt sich in den USA diese Art, mit direkter Ansprache Tugenden anzumahnen und damit Aufmerksamkeit zu erregen.
Mobbing, die #MeToo-Bewegung, sexuelle Belästigung, toxische
Männlichkeit – "Ist das das Beste am Mann?", heißt es auch zu Beginn
des Gillette-Spots. Viele Männer, verkündet das Unternehmen in einem
eigens geschaffenen Webauftritt, "seien auf dem Scheideweg zwischen
der Vergangenheit und einer neune Ära der Männlichkeit".
Für Werbeexperte Karkalis geht Gillette mit solchen Statements
ein beträchtliches Risiko ein. "Mit der Brechstange" versuche hier
eine Marke, die früher damit geworben habe, dass Frauen sich der
sanft rasierten Männerhaut willenlos ergeben, einen Imagewechsel.
Doch anders als bei Nike, der den "gefallenen Helden" Kaepernick
zur positiven Identifikationsfigur erhob, fordert Gillette seinen
Kunden auf, sich selbst zu hinterfragen. "Kommunikation mit erhobenem
Zeigefinger" nennt das Karkalis: "Möchte ich mir von einem Rasierer
sagen lassen, dass ich mein Männerbild überdenken muss?" Karkalis
spricht mit Blick auf die internationale Kampagne von einer
"kalkulierten Plumpheit", die die eben Aufmerksamkeit erzeugen solle.
Eleganter findet der Experte die deutsche Werbung von Gillette,
in der die Marke anhand von Beispielen zeigt, wie Männer sich selbst
positiv entwickeln und Schwächen ablegen, anstatt dies von den Kunden
einzufordern.
Angesichts der Erregungswelle brachte eine Nutzerin das Werbedilemma von Gillette auf den Punkt: Wenn die Firma so
eine Sorge vor Männern habe, sollte sie ihnen am besten keine
Rasierklingen verkaufen.
(pb/dpa)
Frauen und Feminismus – da könnten wir ewig drüber reden
Vor allem in touristischen Regionen ist es für junge Gastronom:innen gar nicht so einfach, Kundschaft anzuziehen und auch langfristig bestehen zu können. Hat die Familie nicht zufällig ein seit Jahrzehnten bestehendes Traditionsrestaurant, braucht es neben gutem Essen meist auch innovative Ideen.