Aus "Ku'damm 56" wurde Montagabend im ZDF "Ku'damm 59". (Keine Angst, wer noch aufholen muss,
hier geht es fast nur darum, was in Staffel 1 passiert). Drei Jahre sind vergangen seit die selbstbewusste
Monika Schöllack (Sonja Gerhardt) zu Hause auszieht, um in den 50er-Jahren ein
selbstbestimmtes Leben als unverheiratete Frau zu führen.
Monika ist
mutig. Im Gegensatz zu ihren angepassten Schwestern, lehnt sie sich gegen die
stockkonservative Mutter und ihre angestaubte Tanzschule auf. Sie fliegt aus
der Haushaltsschule, tanzt Rock 'n' Roll ("Negermusik!"), wird von ihrem jüdischen
(Skandal!) Tanzpartner unehelich schwanger und deckt unerschrocken auf, dass
das herzlose "Muttchen" die Tanzschule von einem enteigneten jüdischen Ehepaar geklaut
hat.
Kurz: Monika
ist für mich eine heldenhafte Feministin bis…
sie sich in ihren Vergewaltiger verliebt! Was? Wie
passt das denn zusammen? Um das ZDF vielleicht besser
zu verstehen, hier die Liebesgeschichte von Monika und Joachim in drei Szenen:
Die Szene: Monika wird vergewaltigt.
Monikas
Mutter, Caterina Schöllack, hat neben dem Betrieb ihrer spießigen Tanzschule "Galant" auf dem Ku'damm nur eine Mission im Leben: ihre drei Töchter unter die Haube zu bringen.
Doch die rebellische Monika ist für sie ein hoffnungsloser Fall, bis ihre
Schwester Helga heiratet und Mutter Schöllack ihren Benimmschüler Joachim
Franck (Sabin Tambrea) als Monikas Begleitung einlädt.
Franck ist ein Fabrikantensohn, der von der Aussichtslosigkeit, sich von der Herrschaft seines Vaters zu befreien, depressiv und zynisch geworden ist. Er flüchtet sich in bedeutungslose Affären und
bewundert James Dean, wahrscheinlich weil er selbst niemals so cool sein wird. Monika,
jetzt noch das hässliche Entlein, langweilt ihn. Irgendwann schläft er im
Nebenzimmer ein und Monika bringt ihm netterweise Kaffee vorbei. Als "Dank" vergewaltigt er sie. Die Szene geht mehrere Minuten und ist für mich extrem verstörend.
Ich denke:
Was für
eine krasse Szene. Und gut, dass das ZDF Vergewaltigung so realistisch darstellt. So weit, so gut.
Die Szene(n): Monika sticht zu.
Die Vergewaltigung
wird von Joachim geleugnet und Muttchen beschuldigt Monika sogar ihn "wie eine
Dirne verführt" zu haben. Monika versucht, sich in einem Berliner See zu
ertränken, wird aber gerettet und erholt sich einigermaßen, bis Joachim in der
Tanzschule aufkreuzt und nach einem Date mit ihr fragt. Er will mit ihr ins Kino,
ausgerechnet in einen Liebesfilm. Monika erstarrt vor Schreck, Muttchen ist
natürlich dafür und sucht ihr ein "verführerisches" Kleid heraus.
Doch jetzt hat Monika die Schnauze voll. Sie versteckt ein kleines Messer in ihrer Handtasche und als Joachim sich ihr im Kino nähert, sticht sie ihm in den Bauch.
Ich denke:
Go, Monika! Endlich
fängt sie an sich zu wehren. Hoffentlich lässt Joachim jetzt die Finger von ihr.
Monika, die Rock 'n' Roll-Rebellin mit ihrem Tanzpartner Freddy
bild: zdf/ stefan erhard
Die Szene(n): Monika verliebt sich in ihren Vergewaltiger.
Joachim hat den Messerstich überlebt und holt Monika für weitere Dates ab. Das ZDF spielt dazu romantische Streichmusik. Obwohl Monika jetzt auch was mit ihrem Tanzpartner Freddy am Laufen hat, ist sie nicht mehr ganz abgeneigt von Joachim.
Dann hat Joachim
einen Autounfall. Monika besucht ihn im Krankenhaus und sagt ihm, wie falsch es war, sie "nicht zu fragen" (bevor er über sie hergefallen ist). Das bewegt Joachim zu einem Sinneswandel. Er emanzipiert sich
vom Vater und will Schriftsteller werden. Monika ist inzwischen von Freddy
schwanger und Muttchen schlägt als Ausweg vor, Joachim das Kind anzuhängen.
Monika zögert, doch bei
ihrem nächsten Treffen knutschen sie, er reserviert ein Hotelzimmer, sagt ihr, dass sie die erste Frau ist, die ihm etwas bedeutet, sie sagt ihm, dass sie von einem anderen Mann schwanger ist und nach diesen so ehrlich romantischen Geständnissen, schlafen
sie miteinander.
Monika in Love mit ihrem Vergewaltiger Joachim:
Bild: ZDF/ Stefan erhard
Ich denke:
Monika, der Typ hat dich vergewaltigt! Und auch: Wer kommt auf
die Idee, Vergewaltigung so zu bagatellisieren? Ich schaue mich auf der Webseite
des ZDF dazu um und stelle fest, dass die Ku'damm-Autorin eine Frau ist. Annette Hess, die sich schon bei "Weissensee" einen Namen gemacht hat, scheint ein Faible für die 50er zu haben.
Und auch das
ZDF geht falsch mit dem Thema um. Als ich die Szene, in der Monika von Joachim Franck auf grausamste Weise vergewaltigt wird, auf der
ZDF-Webseite nachlese, bin ich fassungslos, denn das Wort "Vergewaltigung" kommt keinmal vor. Nein, es ist lediglich von einem "traumatischen Vorfall" die Rede.
So beschreibt
das ZDF die Vergewaltigung von Monika:
ZDF Webseite
Mein Fazit:
Es mag ja
sein, dass in den 50ern das Wort Vergewaltigung nicht existierte. Aber heute gibt es dieses Wort und das ZDF sollte es auch verwenden. Obwohl die
Serie gut die Nazi-Vergangenheit behandelt und sogar die Me-Too-Debatte
aufgreift, versagt sie beim Thema sexuelle Gewalt auf ganzer Linie. Die Jury
des Grimme-Preis schien das auch nicht zu stören. Sie nominierte die Serie für
den Fernsehpreis, der den Bildungsauftrag des deutschen Fernsehen betonen soll.
Die Hauptdarsteller von Ku'Damm 59 bei der Premiere in Berlin:
Bild: WireImage
Wie ging es in der neuen Staffel weiter?
Das verraten wir hier nicht, falls manche den neuen Dreiteiler noch schauen möchten. Nur eins: Die Vergewaltigung ist kein Thema mehr, denn auch in Staffel 2 ist Monika noch heftig in Joachim verliebt. Und keiner fragt sich, ob das nicht ein bisschen krank ist.
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