"Das Lieblingsfach meiner Tochter ist Mathe. Und sie ist auch richtig gut darin," erzählt mir eine Freundin, "aber ihre Lehrerin hat vor der gesamten Klasse erklärt, dass das zwar gut, aber nicht normal sei. Mädchen würden ja eigentlich kein Mathe können."
Die Tatsache, dass Frauen in Mathematik und den Naturwissenschaften nach wie vor stark unterrepräsentiert sind, hat viele Gründe. Längst überwunden geglaubte, aber hartnäckige Gender-Stereotype sind einer davon.
Ein anderer ist: Uns fehlen die Vorbilder.
Eine junge Wissenschaftlerin aus England will das ändern.
Jess Wade ist Post-Doktorandin an einem Labor des Imperial College London. Ihre Mission: Wissenschaftlerinnen endlich zu der Anerkennung verhelfen, die ihnen zusteht.
Denn es ist nicht so, dass die weiblichen Vorbilder fehlen, weil keine da sind. Sie sind nur nicht sichtbar.
"So viel Geld, Enthusiasmus und Energie wird in Kampagnen gesteckt, um Mädchen an die Naturwissenschaften heranzuführen", sagte Wade dem britischen "Guardian", nur diese Initiativen funktionierten nicht. Sie seien viel zu negativ.
Oder verstärken Stereotype. Wie dieses von der EU-Kommission veröffentlichte Video, in dem Frauen auf hohen Schuhen die wissenschaftliche Zusammenstellung von Nagellack erklären.
Jess Wade will positive Botschaften senden. Und sie hat sich dafür ein besonderes Sprachrohr ausgesucht: Wikipedia.
Und so hat Jess Wade mittlerweile schon 270 Wikipedia-Einträge zu Naturwissenschaftlerinnen erstellt. Darunter sind so profilierte Forscherinnen wie Kim Cobb, eine preisgekrönte US-amerikanische Klimaforscherin, und Susan Goldberg, die erste Chefredakteurin des prestigeträchtigen Magazins "National Geographic".
Kritik hat sie natürlich dabei auch einstecken müssen. So beschwerte sich ein Wissenschaftler, sie würde Wikipedia damit kaputt machen. Jess' Antwort: "Sorry, vielleicht sollten wir dann also einfach alle Wikipedia-Einträge nach wie vor weißen Männern überlassen."
Auch die Wikipedia-Unterstützer-Plattform ist auf Jess' Seite. Wikimedia schrieb: "Wir unterstützen Jess und finden ihre Arbeit fantastisch und wertvoll. Niemand muss ihr die Regeln erklären."
"Professorinnen fühlen sich bestärkt, wenn sie einen Eintrag bekommen," erklärt Jess, Akzeptanz führe eben über Anerkennung. Und je inklusiver die Naturwissenschaften werden, desto besser für alle: "Dann werden die Mädchen nämlich kommen, und sie werden in ein viel besseres Umfeld aufgenommen."