Am 8. März wird watson zur Frau. Und das 24 Stunden lang. Am Internationalen Frauentag werden wir ausnahmslos Frauenabbilden, thematisieren und porträtieren. Trump, Hoeneß oder Kollegah haben dann Pause. Und ja, das wird auch Zeit. Auch auf watson.de sind Frauen in der Regel unterrepräsentiert. Und das liegt nicht nur an der Welt, in der wir leben, sondern auch an uns. Aber wir wollen besser werden. Heute ist ein guter Tag, um dafür ein Zeichen zu setzen.
Immer wieder ploppt in Debatten um Feminismus, Frauenrechte und sogar sexueller Belästigung das Thema Make-up auf.
Dann erscheinen ganze Abhandlungen darüber, warum Frauen sofort aufhören sollten, sich zu schminken, wenn sie es mit dem Feminismus ernst meinen. Besonders nach #MeToo erschienen ellenlange Kommentare darüber, warum Frauen sich dem Schönheitsdiktat nicht länger "unterwerfen" sollten und genau so wenig auf ihr Äußeres geben sollten, wie "die Männer".
Einfach mal so richtig hässlich aussehen, damit man den Punkt mit der Gleichberechtigung klar macht. So klingen diese Texte. Erfolg durch Verzicht.
(An der Stelle nochmal: Wer sagt eigentlich, dass "die Männer" nicht auf ihr Äußeres achten?)
Die Definition von Feminismus ist an sich schon schwierig. Und das ständige Definieren wollen ist auch ein Problem.
Wir können aber gern nochmal das Grundlegende durchgehen: Ich setze mich unter anderem dafür ein, dass Frauen genau so viel Gehalt bekommen, wie Männer. Ich bin dafür, dass Frauen gesellschaftliche Teilhabe haben. Und ich finde, dass Frauen über ihren Körper selbst bestimmen sollen. Dazu gehört auch die Verwendung von Make-Up.
Das Aussehen einer Frau scheint so oder so ein Politikum zu sein. Allein die Diskussion um ihre Körperbehaarung ist so lange so zäh geflossen, bis langsam endlich alle einsehen, dass es sie einfach nichts angeht. Eine Frau mit Beinhaaren ist feministisch. Eine Frau, die am ganzen Körper alle Haare entfernt, kann es genau so sein. Und von Kopftüchern oder Hijabs wollen wir hier gar nicht erst anfangen.
Frauen, die sich gern schminken, wird Oberflächlichkeit unterstellt. Und das auch von Frauen. Oberflächlich ist es doch aber eigentlich, von der persönlichen Präferenz auf die innere Einstellung zu schließen. Frauen, die sich schminken, wird außerdem Gefallsucht unterstellt.
Ich wüsste ganz gern mal:
Warum kommentieren Menschen das immer noch? Fakt ist doch: Es muss endlich mal egal werden, wie Leute aussehen, um inhaltlich etwas zu bewegen.
Es ist mir komplett egal, ob sich jemand schminkt oder nicht. Es ist mir generell vollkommen gleich, was jemand mit seinem Körper macht. Keine(r) muss sich vor mir rechtfertigen. Und das will ich auch nicht müssen. Schon gar nicht vor Frauen, die sich doch eigentlich für meine Rechte einsetzen.
Wie oft hat man schon von Männern gehört: "Hey, da musst du dich aber nicht wundern, wenn wir gucken oder dir hinterherpfeifen. Du trägst doch roten Lippenstift! Du machst dich doch für uns hübsch!" Diese Argumentation kommt aus der gleichen Ecke wie: "Eine Frau muss sich nicht wundern angemacht zu werden, wenn sie einen Minirock trägt."
Wenn Männer so etwas sagen, ist das die eine (ungute) Sache. Offensichtlich gibt es aber auch im Jahr 2018 noch einige Frauen, die dem zustimmen. Die meinen, es gibt eindeutige Marker, an denen man erkennen könnte, dass eine Frau sich in Sachen Feminismus einfach falsch verhält. Zuletzt die von mir sonst sehr geliebte Autorin und Moderatorin Charlotte Roche.
Dieser Marker befindet sich anscheinend weniger im Kopf, sondern auf dem Gesicht:
Man sieht also an der Deckkraft meiner Foundation, wie sehr ich mich für Frauenrechte einsetze. Man sieht also anhand meiner Lippenstiftfarbe, ob ich dafür bin, dass das Stigma zu Abtreibungen abnimmt. Und mein Rouge verrät, wie nervig ich es finde, dass Frauen immer noch gesellschaftlich und beruflich benachteiligt werden.
Das kann doch einfach nicht sein. Sieht man mir wirklich im Gesicht an, wie feministisch ich bin? Ist das alles echt so einfach?
Ich schminke mich schon, seitdem ich 16 Jahre alt bin. Über die Jahre habe ich gelernt, mir die Wimpern zu tuschen, einen Lidstrich zu ziehen und seit einiger Zeit konturiere ich mir das Gesicht. Das bedeutet, dass ich mir mit Konturpuder die Gesichtszüge nachziehe und mein normalerweise rundes Gesicht etwas definierter aussieht. Das habe ich mir von US-Reality-Star Kim Kardashian abgeguckt.
Auch all die anderen Techniken habe ich mir selbst angeeignet oder von YouTube-Schminktutorials abgeguckt. Während der unzähligen Male, die ich vor dem Spiegel saß, habe ich nicht ein einziges Mal daran gedacht, ob einem Mann meine Nude Lippen gefallen würden. Oder ob der Lidschatten zu viel Glitzer hat. Wenn überhaupt, haben mir Frauenzeitschriften eingebläut, dass die meisten Männer auf den "natürlichen Look ohne viel Make-Up" stehen.
Ich denke eher daran, was mein Make-up aussagt. Es gibt Tage, an denen fühle ich mich wie Kleopatra mit dunklen schwarzen Augen und an anderen wie eine spanische Flamenco-Tänzerin mit rotem Lippenstift. Es ist albern und verspielt, aber so bin ich. Genau wie die Kleidung, kann das Make-up meinen jeweiligen Gemütszustand ausdrücken. Ich schlüpfe täglich in Rollen und bleibe immer noch ich.
Außerdem hat sich schminken auch etwas meditatives. Ein bisschen wie Mandala ausmalen im Gesicht.
Und da liegt das Missverständnis in den Debatten um Make-up:
Kein Konturpuder der Welt ändert meine Einstellung zur Gleichberechtigung oder Sexismus.
Ich kann mich so stark schminken wie Kim Kardashian, mir das Gesicht mit dunklem Bronzer hart konturieren und mir sogar falsche Wimpern aufkleben (leider kann ich letzeres noch nicht, aber ich lerne noch) – all das ändert rein gar nichts daran, inwiefern ich ein ally bin für andere Frauen oder wie feministisch ich bin.
Make-up ist allgegenwärtig. Auf YouTube finden sich Tausende Beauty-Blogger und darunter auch viele Männer, die Produkte vorstellen und dabei über ihr Leben erzählen.
Ich gehe ja mit, wenn man sagt: Wir sollten unsere Schönheitsideale überdenken. Wir sollten uns keine Komplexe einreden lassen. Aber es geht weder jemanden etwas an, was ich mit meinem unteren Körper mache, noch was ich auf meinem Gesicht veranstalte. Niemand sollte auf mich herabsehen, weder Männer noch Frauen.
Und ich möchte mich nicht noch gegen andere Frauen verteidigen, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich will mich weder von Männern, noch von Frauen bevormunden lassen.
Make-up ist – wenn überhaupt – meine Kriegsbemalung, um jeden Tag gegen das Patriarchat zu kämpfen.