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Nationalmannschaft: Wie kann der DFB immer noch Oliver Pocher hofieren?

Comedian Oliver POCHER mit Moderatorin Laura WONTORRA auf der Tribuene, Halbfinale Spiel M50 Deutschland (GER)-Frankreich (FRA) 0-2 am 07.07.2016 in Marseille,Stade Velodrome Fussball EM 2016 in Frank ...
Pocher ist seit Jahren Edelfan der Nationalmannschaft und besucht Spiele – wie hier bei der EM 2016.Bild: imago sportfotodienst
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Von wegen Neustart – wie kann der DFB immer noch Oliver Pocher hofieren?

07.09.2018, 12:3907.09.2018, 15:12
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So sieht er also aus, dieser Neuanfang des DFB. 

DFB-Präsident Reinhard Grindel setzte sich vor dem Spiel gegen Frankreich (0:0) wie gewohnt in Szene, als er Toni Kroos mit dem Titel des "Fußballer des Jahres" auszeichnete. Auf dem Platz startete kein einziger Neuling. Die musikalische Untermalung wurde Oliver Pocher überlassen, dessen Evergreen "Schwarz und Weiß" gut hörbar für Millionen TV-Zuschauer durch die Arena schallte. Und genau dieser Song ist Sinnbild für den Neustart, der keiner ist.

Auf Twitter und in anderen sozialen Netzwerken regten sich die Fans auf:

Pocher – Deutschlands offizieller Fan-Vertreter?

Pochers Song "Schwarz und Weiß" (produziert für die Heim-WM 2006) wurde vom DFB zur offiziellen Torhymne auserkoren und wird seit nunmehr zwölf Jahren in den Stadien gespielt.

Um diesen Song geht es:

Pocher wird auch sonst vom DFB hofiert. Der Edel-Fan – auch bei Basketball-Spielen mit DFB-Trainingsjacke gekleidet – taucht oft bei Partien der Nationalelf auf. Auch zu den DFB-Pokal-Finals 2015 und 2016 tanzte er über den grünen Teppich. Zur diesjährigen WM machte ihn der DFB zum Spielführer: Pocher führte als Kapitän die Fan-Club-Auswahl des DFB in Russland aufs Feld. Der Verband warb sogar damit, dass Pocher dabei ist.

Hier schoss Pocher die Auswahl des DFB zum Sieg gegen Schweden. 

Dabei ist Pocher so ziemlich all das, was der DFB nicht mehr sein sollte. Seine Witze pendeln seit Jahren zwischen Stammtischniveau und latentem Alltagsrassismus – nicht smart, sondern einfach plump provozierend.

Auch in diesem Jahr machte er sich wieder stotternd mit aufgeklebten Glubschaugen über Mesut Özil lustig. 

Oder er malte sich mit Farbe das Gesicht dunkel an, um Jérôme Boateng nachzuahmen. Das nennt man übrigens "Blackfacing", eine Unterhaltungsmaskerade, die im 18. und 19. Jahrhundert in den USA populär wurde.

Wie hier:

Oder hier:

"Blackfacing" ist rassistisch. Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch erklärte der Berliner Zeitung mal: 

"Das Blackfacing gilt als rassistisch, weil es die Identität und die Erfahrungen schwarzer Menschen als Kostüm behandelt, das weiße Menschen beliebig an- und ausziehen können. Mit dem Blackfacing maßen sich weiße Menschen an, für schwarze Menschen sprechen und handeln zu können, und nehmen ihnen damit den Raum, dies selbst zu tun."
Anatol StefanowitschBerliner Zeitung

Wer war nochmal Oli Pocher?

Das dürften die Jüngeren fragen. Der Comedian war vor über zehn Jahren mal eine große Nummer in Deutschland. Mit seinen provokanten Scherzen füllte er Hallen und durfte sogar mit Late-Night-Legende Harald Schmidt eine eigene Show im Ersten ausstrahlen. 

Dann ging es bergab. Schmidt hatte irgendwann die Schnauze voll von Pocher, der "miesen Type" mit dem "Fotzensekret".

Als Schmidt Pocher zur Schnecke machte:

Während in jeder Ecke des Internets Provokation zum guten Ton verkam, wurde Pochers einziges Alleinstellungsmerkmal immer mehr gefährdet. Wie also Aufmerksamkeit generieren?  Einfach plumper werden und dunkle Farbe ins Gesicht schmieren.

Die Pointen seiner Witze sind inhaltlich meist nicht weit von absurden Beleidigungen in Facebook-Kommentarspalten entfernt. Er macht mittlerweile Comedy für die Menschen, die frei nach dem AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland tatsächlich nicht Boatengs Nachbarn sein wollen. Mittlerweile geistert er im Sat1-Frühstücksfernsehen mit dem umstrittenen Moderator Claus Strunz im TV-Niemandsland herum.

Und der DFB? Der hält immer noch an Pocher fest.

DFB wollte etwas gegen Rassismus tun

Beim DFB wurde viel über Rassismus gesprochen in den vergangenen Wochen und Monaten. Im Fall Özil hatte der Verband seinen Spieler viel zu spät vor rassistischen Äußerungen geschützt. Das gaben der Verband und auch Präsident Grindel in Stellungnahmen zu. 

Grindel schrieb:

"Rückblickend hätte ich als Präsident unmissverständlich sagen sollen, was für mich als Person und für uns alle als Verband selbstverständlich ist: Jegliche Form rassistischer Anfeindungen ist unerträglich, nicht hinnehmbar und nicht tolerierbar. Das galt im Fall Jérôme Boateng, das gilt für Mesut Özil, das gilt auch für alle Spieler an der Basis, die einen Migrationshintergrund haben."

Der DFB sprach von einem Umbruch, man wolle Fehler korrigieren. Dafür hatte man eigens zur Pressekonferenz gerufen. Oliver Bierhoff hatte erklärt, dass man sich "sehr selbstkritisch hinterfragt" habe. Während der Slogan "Die Mannschaft" unter die Lupe genommen werden sollte und einige Mitarbeiter aus dem Staff aufhören mussten, hatte man aber den Blick für das Wesentliche verloren.

So geht kein ernst gemeinter Umbruch

Wie selbstkritisch hat man sich beim DFB denn hinterfragt, dass noch immer ein Song von Oli Pocher vor Spielen der Nationalmannschaft gespielt wird? Jener Pocher, der sich seit Jahren mit diskriminierenden Witzen über Nationalspieler lustig macht, die der DFB schützen will.

Der sportliche Neustart mit all seinen Feinheiten braucht einige Spiele, um erkennbar zu sein. Der Song von Oli Pocher hätte hingegen einfach aus der Playlist geworfen werden können. Besonders in Zeiten von rechten Ausschreitungen wie in Chemnitz – zu denen der DFB trotz seiner Strahlkraft schweigt – scheint man auf Rassismus nur dann aufmerksam zu werden, wenn die Öffentlichkeit darauf pocht. Dass der DFB Pochers Song weiter im Stadion spielt, zeigt, dass es dem Verband nur selektiv ernst ist mit dem Umbruch. 

Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass der DFB-Neustart von denselben Leuten durchgesetzt werden soll, die dort die Verantwortung trugen, als die Rassismus-Debatte losging. Im Übrigen ein 19-köpfiges Präsidium, das aus nur einer Frau und 18 Männern ohne Migrationshintergrund besteht, die für Hunderttausende Spieler mit Migrationshintergrund von der Kreisliga bis zur Nationalmannschaft sprechen. 

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