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Diese Frau wird am Gehirn operiert und spielt dabei Querflöte

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Diese Frau wird am Gehirn operiert und spielt dabei Flöte

03.04.2018, 13:4203.04.2018, 22:26
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Anna Henry setzte die Querflöte an den Mund, eine sanfte Melodie schallt durch den Raum. Das Publikum lauscht andächtig. Eigentlich nichts ungewöhnliches für die 63-jährige Flötistin des Big Spring Symphony-Orchesters.

Eigentlich. Denn ihr Publikum sind Ärzte und OP-Pfleger des Texas Medical Centers in Houston. Ihr Kopf ist in ein Metallgestell gespannt, sie liegt auf einem Operationstisch und während sie auf der Flöte spielt, operiert ein Chirurg an ihrem Gehirn. In einem Video des Institutes sind Ausschnitte des Eingriffs zu sehen.

Achtung! Dir könnte schummrig werden. Dieses Video zeigt Anna Henry während der Operation:

Anna hat den sogenannten "Essentiellen Tremor", eine vererbte Bewegungsstörung, unter der schon ihr Vater litt. Schon während der Schulzeit zitterten Annas Hände. Oft ist die Erkrankung fortschreitend und verschlimmert sich mit der Zeit so stark, dass einfache Alltagsaufgaben zu großen Hürden werden. Anna konnte beispielsweise nicht mehr schreiben, Suppe essen, nähen und auch ihre größte Leidenschaft, die Musik, wurde zur Herausforderung.

Anna übte gegen das Zittern an, schluckte Beta-Blocker und Mittel gegen Epilepsie, aber ihr Zustand verschlimmerte sich weiter. Irgendwann verursachten die Medikamente nur noch Nebenwirkungen: Annas Muskeln wurden schwach, ihre Augen schlecht.

Die Hoffnung: Tiefenhirnstimulation

Umgangssprachlich Hirnschrittmacher genannt.

Mit dieser Methode therapieren Ärzte bestimmte Bewegungsstörungen, wie den Essentiellen Tremor, den Anna Henry hat, Parkinson, Dystonie oder Zwangsstörungen. Chirurgen bohren dafür kleine Löcher in den Schädel und setzen Elektroden ins Gehirn, die dort konstant Strom einleiten. So werden unkontrollierte Bewegungen vermindert oder unterbunden.

Dass Patienten während solcher OPs wach sind und kleine Aufgaben lösen müssen, ist nicht ungewöhnlich. Die Ärzte kontrollieren damit, ob sie Areale im Gehirn verletzen oder ob die Therapie anschlägt. Das ist zum Beispiel auch wichtig, wenn Chirurgen einen Tumor entfernen. So gab es in den vergangenen Jahren immer mal wieder Videos von Gitarren-, Violinen- und Saxophon-Konzerten im OP. 

Warum die Tiefenhirnstimulation funktioniert, ist nicht ganz klar, aber sie hat sich als sehr effektive Therapie etabliert. Forscher untersuchen inzwischen auch, ob sie gegen weitere Erkrankungen wie chronische Schmerzen, posttraumatische Belastungsstörung oder Depressionen helfen kann.

Annas Zustand verbesserte sich schon während des Eingriffs. Nicht nur spielte sie mit ruhiger Hand Flöte. Sie konnte auch gleich wieder schreiben.

Annas Handschrift vor (links) und nach dem Eingriff:

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Bild: Texas Medical Center Houston

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