Neues Jahr, neue skandalöse Nachrichten aus Katar: Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Ausbeutung von Arbeitsmigranten bei den Bauarbeiten für das Fußball-WM-Vorzeigeprojekt Future City Lusail in Katar angeprangert. Dutzende Arbeiter warteten noch heute auf die Auszahlung ihrer Löhne durch die Baufirma Mercury Mena, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch in London und Berlin. Die Regierung in Katar erklärte, sie ermittele gegen das Unternehmen, das mittlerweile das Land verlassen habe.
78 ehemalige Arbeiter aus Indien, Nepal und den Philippinen hätten berichtet, dass es seit 2016 immer wieder zu Verzögerungen der Lohnauszahlungen kam, bis diese 2017 ganz ausblieben, erklärte Amnesty. Demnach schuldet die Firma ihnen pro Kopf bis zu 2470 US-Dollar (2105 Euro); ihre Schicksale seien keine Einzelfälle.
Die Katar-Expertin von Amnesty Deutschland, Regina Spöttl, verwies darauf, dass viele Befragte in ihren Heimatländern hochverzinste Darlehen aufgenommen hätten, um die Vermittlungsgebühren für einen Arbeitsplatz in Katar bezahlen zu können. Als ihre Löhne ausblieben, konnten sie kein Geld nach Hause schicken und die Kreditraten nicht mehr zahlen.
Eine Vielzahl der Arbeitsmigranten sei "mittellos in Katar gestrandet, lebt in heruntergekommenen Quartieren ohne Gewissheit über ihre finanzielle Zukunft und ohne die Möglichkeit, wieder zu ihren Familien zurückzukehren".
Amnesty warf Mercury Mena vor, das berüchtigte "Kafala"-System genutzt zu haben. Laut Amnesty gab der Geschäftsführer von Mercury Mena im November zu, dass Löhne angeblich aufgrund von unzuverlässigen Geschäftspartnern zu spät gezahlt worden seien, wies aber die Vorwürfe der Ausbeutung zurück. Das Unternehmen äußerte sich zunächst nicht zu dem Amnesty-Bericht.
Nach Berichten über die sklavenähnlichen Zustände auf den Großbaustellen für die Fußball-WM 2022 hatte die Internationale Arbeitsorganisation ILO 2014 Untersuchungen eingeleitet. Auf internationalen Druck verkündete der Golfstaat später ein Ende seines umstrittenen «Kafala»-Systems, das ausländische Arbeitskräfte schutzlos ihren Vorgesetzten ausliefert. Den 2.1 Millionen ausländischen Arbeitskräften im Land wurden Verträge und Mindestlohn versprochen.
Das Arbeitsministerium in Doha erklärte am Mittwoch, es prüfe rechtliche Schritte gegen Mercury Mena. Die von Amnesty beklagten Zustände "werden vom Staat Katar nicht toleriert".
Der Fußball-Weltverband Fifa beklagte seinerseits die "irreführende" Darstellung Amnestys. "Wir haben keinen Grund zu glauben, dass die berichteten Verstöße gegen Arbeiterrechte tatsächlich mit der Fifa und der WM 2022 in Zusammenhang stehen", sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP.
Mercury Mena hatte am Bau der Stadt Lusail mitgewirkt, in der das Eröffnungsspiel 2022 stattfinden soll. Zudem baute sie ein Präsentationsstadion, das Teil der erfolgreichen Bewerbung Katars 2010 war. Die Planstadt Lusail liegt 20 Kilometer nördlich der Hauptstadt Doha.
(bn/afp)