Mehr Pfand, mehr Recycling – bald kommen diese neuen Regeln für Verpackungsmüll
17.12.2018, 16:1817.12.2018, 16:18
Mehr «Wissen»
220,5 Kilo, so viel bekommen nur sehr gut trainierte
Gewichtheber über den Kopf gestemmt. In der Disziplin Reißen sind 220
Kilo sogar Weltrekord. Das ist die Menge an Verpackungsmüll, die
statistisch jeder Deutsche im Jahr produziert. 18,16 Millionen Tonnen
waren es 2016 insgesamt, das sind die neuesten Zahlen des
Umweltbundesamts.
Zu viel, da sind sich Umweltschützer einig, auch
wenn 70 Prozent der Verpackungen ins Recycling gehen. Einen großen
Anteil hat unser Lebensstil: Kaffee und Mittagessen zum Mitnehmen,
kleine Portionen für Single-Haushalte, bequemes Kochen mit
vorportionierten Lebensmitteln, im Netz bestellen und liefern lassen.
Weil Verpackungen für Hersteller und Handel größte Bedeutung haben
und die Abfall-Abholung und -Verwertung ein Milliardengeschäft sind,
tut sich die Politik schwer damit, gegen den Müllberg anzugehen. Das
Verpackungsgesetz, das zum 1. Januar 2019 in Kraft tritt, war
letztlich eine Notlösung nach jahrelangem Gezerre. Umweltschützer
waren vom Ergebnis enttäuscht.
Schon seit Monaten arbeiten Fachleute unter Hochdruck daran, dass zum
1. Januar auch alles funktioniert. Verbraucher werden nicht allzu
viel merken von dem Gesetz, das natürlich nur ein Baustein ist im
Kampf gegen unnötiges Müllaufkommen. Wenn die EU wie geplant
Strohhalme und Besteck aus Kunststoff verbietet, fällt das den
Bürgern mehr auf. Für Handel und Recyclingbranche ändert sich allerdings viel – und ein bisschen auch für Kunden im Supermarkt. Eine Auswahl:
Mehrweg-Einwegschilder:
Supermärkte und andere Läden müssen an
Getränkeregalen künftig gut lesbare Schilder mit den Hinweisen "Mehrweg" und "Einweg" anbringen, das gilt aber nur für
Einweg-Getränke mit Pfandpflicht.
Ausweitung der Pfandpflicht:
Für Einweg-Verpackungen mit Frucht- und
Gemüse-Nektaren mit Kohlensäure – etwa Apfelschorlen aus Nektar – und
Mischgetränke mit Molkeanteil von mehr als 50 Prozent werden künftig
25 Cent Pfand fällig.
Online-Handel in der Pflicht:
Das Gesetz stellt klar, dass
Versandverpackungen auch Verpackungen sind – also müssen nun
ausdrücklich auch Online-Händler ihre Verpackungen registrieren
lassen und dafür Lizenzgebühren zahlen. Das gilt auch für sogenannte
Umverpackung, in die abgepackte Ware zusätzlich eingepackt ist.
Mehr Recycling:
Die Recyclingquoten werden in zwei Schritten 2019 und
2022 angehoben. Für Glas, Altpapier, Eisenmetalle und Alu steigen sie
von 60 bis 75 auf 90 Prozent bis 2022, für Getränkekartons von 60 auf
80 Prozent und für Kunststoffe von 36 auf 63 Prozent.
Umweltfreundlichere Verpackungen:
Recycling-Unternehmen wie der Grüne
Punkt und die anderen Dualen Systeme finanzieren sich über
Lizenzgebühren, die ihnen die "Inverkehrbringer" von Verpackungen
zahlen. Von jetzt an müssen sie für umweltfreundliche, gut
recycelbare Verpackungen geringere Gebühren verlangen, um diese zu
fördern. Die genaue Gestaltung der Anreize ist Sache der Unternehmen.
Mehr Kontrolle:
Eine Zentrale Stelle ist künftig dafür zuständig, das
System zu kontrollieren. Wer Verpackungen auf den Markt bringt, muss
sich dort registrieren. Das Register ist öffentlich, so können sich
Konkurrenten gegenseitig im Blick haben. Bei der Zentralen Stelle
melden die Hersteller auch Art und Menge ihrer Verpackungen. Für
Verstöße drohen Bußgelder bis 200.000 Euro und Vertriebsverbote.
Das sagen die Betroffenen:
Vorstand dieser Zentralen Stelle ist Gunda Rachut. "Aktuell
verzeichnet das Register 70.000 Einträge. Bis Januar 2019 erwarten
wir eine Verdopplung der Zahlen", sagt sie. Das Register habe eine
hohe Zahl an "Trittbrettfahrern" aufgedeckt, die bisher keine
Gebühren bezahlt haben. Damit sei ein wichtiges Ziel schon erreicht,
bevor das Gesetz überhaupt in Kraft trete. Viele hätten das Register
aber auch noch nicht genutzt, für die sei es "quasi fünf vor zwölf".
Die Chefin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger, sieht nun die
Hersteller in der Pflicht: "Unnötige Verpackungen müssen vermieden
werden, wo es geht oder durch wiederverwendbare Mehrwegverpackungen
ersetzt werden", sagt sie. Wenn es Einwegverpackungen sein müssen,
sollten diese möglichst gut recyclingfähig sein. Verbraucher ruft sie
auf, das Recyclingsystem zu unterstützen: "Restmüll gehört nicht in
den gelben Sack oder die gelbe Tonne, denn er erschwert Sortierung
und Recycling der Verpackungsmaterialien."
Es gebe gute Gründe, Lebensmittel und anderes zu verpacken – und so
zu schützen. So argumentiert das Deutsche Verpackungsinstitut: "Weil
der Wert und die Kosten eines verpackten Gutes den Wert und die
Kosten seiner Verpackungen weit übersteigen, lohnt sich die
Verpackung sowohl wirtschaftlich, als auch ökologisch und sozial."
(pbl/dpa)
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