Hinten grün, vorne nicht effektiv: Gegen den FC Augsburg zeigte sich nicht zum ersten Mal, dass Borussia Dortmund noch die (Titel-)Reife fehlt.
Torwart Roman Bürki sprach von "Kollektivversagen", und der wütende Kapitän Marco Reus ärgerte sich über "individuelle Fehler" der jungen BVB-Viererkette, ohne Namen zu nennen: Nach der ebenso überraschenden wie ernüchternden 1:2-Pleite beim FCA gab es bei Borussia Dortmund richtig Zoff. Nur einen Sieg gab es in den vergangenen sieben Pflichtspielen.
Wie soll da heute Abend bloß ein Sieg in der Champions League gegen Tottenham Hotspur gelingen?
Die Spurs kommen mit Heung Min Son nach Dortmund, der in seiner Karriere in zehn Spielen gegen den BVB bereits neunmal getroffen hat. Außerdem ist Sturmpartner und Führungsspieler Harry Kane wieder genesen.
Und auch sonst ist Tottenham alles andere als Laufkundschaft. Das Hinspiel gegen die Londoner verloren die Dortmunder 0:3. Eigentlich verheißen die Vorzeichen wenig Gutes, in der aktuellen Form scheint die Situation fast aussichtslos... Eigentlich.
Marco Reus ist zuversichtlich. Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel sagte der BVB-Kapitän am Montag: "In diesem Stadion wurden schon einige Spiele absolviert, in denen Geschichte geschrieben wurde. Wir sind in der Lage, das Unmögliche zu schaffen. Die ganze Mannschaft glaubt daran."
Außerdem sagte Reus: "Ich bin bereit. Ich bin auch bereit, über 120 Minuten zu gehen." Auch sein Trainer Lucien Favre hat Hoffnung und glaubt an einen positiven Ausgang: "Wir wissen, dass es schwer ist. Aber alles ist möglich."
Wie wichtig Reus ist, erklärte erst Mitspieler Thomas Delaney, der den Kapitän mit Lionel Messi verglich: "Man kann ihn nicht ersetzen. Das ist gut und schlecht zugleich. Wenn Messi fehlt, dann hat der FC Barcelona auch ein Problem." Aber Reus ist wieder da.
Wisst ihr noch, damals gegen Malaga? Im Champions-League-Viertelfinale 2013 traf Felipe Santana in der letzten Minute zum 3:2 und zog nach einem torlosen Remis Hinspiel doch noch ins Halbfinale ein.
Nur ein Jahr später war die Borussia erneut einem Coup nahe, als sie im Viertelfinale nach einem 0:3 beim späteren Titelgewinner Real Madrid im Rückspiel früh mit 2:0 führte, in den letzten Minuten aber viele Chancen vergab. Eine ähnliche Energieleistung wie in dieser Partie, die der damalige BVB-Coach Jürgen Klopp als "Blaupause für jede Aufholjagd" bezeichnete, könnte den BVB auch gegen Tottenham einem kleinen Fußball-Wunder näherbringen.
Das wäre doch gelacht, wenn Dortmund das nicht aufholt! Im Schnitt hat der BVB nämlich in der aktuellen Saison in 17 Heimspielen schon 53 Tore geschossen. Durchschnittlich sind das 3,12 Tore vor heimischem Publikum. Das würde schon mal für die Verlängerung reichen – sofern Tottenham nicht trifft...
In den vergangenen zehn Saisons ist Tottenham nur einmal nicht unter den Top sechs der Premier League gelandet: 2008/09 wurden die Londoner nur Achter. Die Spurs sind ein Topteam, aktuell Dritter in der Tabelle. Sie haben Topspieler, einen Toptrainer und Topvoraussetzungen. Und dennoch: Das mit den Titeln klappt in Nordlondon schon seit langer Zeit nicht so gut. Wenn's ernst wird, bekommen sie Muffensausen. Ein bisschen erinnert das an Bayer Leverkusen aka "Vizekusen".
2008 holte Tottenham den Liga-Pokal, der aber wenig bedeutsam ist. Die letzte Meisterschaft war im Jahr 1961. Der letzte FA-Cup-Sieg gelang 1991. In der vergangenen Saison schied Tottenham zum achten Mal in Folge im FA-Cup-Halbfinale aus – kurz vorm Ziel scheinen die Spurs gerne zu stolpern. Vielleicht ja auch heute, kurz vorm Ziel Viertelfinaleinzug.
(as/sid/dpa)