Özil geht, der Hambacher Forst bleibt, Chemnitz schreckt auf – 2018 war turbulent. Auch für uns: watson.de startete im März. Einige Geschichten mochten wir seitdem besonders. Wie diese hier:
Nach anfänglichen Unklarheiten ("Wie wird das ausgesprochen?") ist DAZN beim deutschen Publikum ein voller Erfolg geworden.
Der Sport-Streamingdienst gilt als "Netflix des Sports". Zum einen ist das Angebot vielfältig: Champions League, Premier League, Serie A, NFL, NBA, Darts, Baseball... bis auf den deutschen Fußball gibt es von fast jeder relevanten Sportliga komplette Spiele zu sehen.
Plus: Man kann sich die Spiele auch später anschauen, oder Pause machen. So muss man nicht klassisch linear dranbleiben.
Statt Weltfußballern, die im Anzug in großen TV-Studios debattieren, analysieren dort unbekanntere Ex-Profis wie der als Fußball-Mozart bekannt gewordene Thomas Broich oder Weltmeister Per Mertesacker. Allgemeiner Tenor der Fans: tolle Analyse, gute Kommentatoren.
Kommentator Uli Hebel und der ehemalige Fußballprofi Sebastian Kneißl wissen um ihr gutes Image. Beide sind die England-Spezialisten im Haus – Kommentator Hebel ist Premier-League-Fan seit der Kindheit, Experte Kneißl stand beim FC Chelsea und dem AFC Wimbledon unter Vertrag, ohne jedoch den Durchbruch zu schaffen.
Beide glauben, dass die Live-Reportagen bei Dazn einen großen Vorteil gegenüber der Konkurrenz haben. Wir haben sie gefragt, welcher das ist und welche Vorbilder sie haben.
watson: Was macht ihr anders als die anderen?
Uli Hebel: Das Rad
haben wir nicht neu erfunden, da würden wir den Kollegen Unrecht tun. Der
wesentliche Unterschied ist, dass wir zu zweit kommentieren. Das verteilt die
Rollen anders: Ich bin eher beim Spiel und versuche dem Experten die Vorlagen
zu geben, die in dem Fall Sebastian verwertet und etwas analytischer hingeht.
Sebastian Kneißl: Ich als ehemaliger Stürmer verwerte die Vorlage natürlich gerne. (lacht) Ich finde, das macht alles dynamischer durch dieses Wechselspiel. Ab und zu ist man aber auch gegenteiliger Meinung. Während der eine voll emotional dabei ist, kann der andere das etwa mit Statistiken füttern. Es ist vor allem ungezwungen: Ich habe als Experte also auch immer ein wenig Zeit um Muster im Spiel zu erkennen und muss nicht andauernd sprechen.
Nicht nur in England, sondern in
vielen Ländern ist solch ein Duo von Kommentator und Experten etabliert. Liegt
es also vor allem an der Konstellation, dass die Fans so begeistert sind?
Uli: Ja, ich
denke wir machen gar nicht so viel anders, sondern die Konstellation macht das
tatsächlich mit uns. Wir beide sind sehr England-affin und mit dieser Art des
Kommentierens groß geworden. Deswegen kann ich mir nichts Besseres vorstellen.
Was ist der interne Vorsatz, um
herauszustechen?
Uli: Ich kann
für meine Prämisse sprechen: Ich will den Zuschauern etwas sagen, was sie noch
nicht wissen. Wenn jemand bei uns einschaltet, müssen wir ihm nicht nochmal
sagen, dass Harry Kane der Kapitän der englischen Nationalmannschaft ist. Ich möchte den Leuten stattdessen etwas zu Laufwegen sagen. Und der Experte kann im besten
Fall noch Anekdoten erzählen, die er selbst erlebt hat.
Sebastian: Es ist
eigentlich so, als ob wir Zuhause sitzen würden, zusammen mit dem Zuschauer ein
Spiel gucken und uns mit ihm unterhalten.
Uli: Wenn du etwas ganz Plakatives willst: Wir duzen den Zuschauer. Wir haben eine andere Nähe zu den Fans und sie zu uns. Wir trauen dem Zuschauer etwas zu und nehmen sie für voll. Wir überfordern sie nicht, wenn wir von falschen Neunern sprechen. Das kommt uns zugute. Manchmal muss ich aber aufpassen, nicht zu sehr abzunerden.
Viele Fans feiern euch für eure
direkte Art. Versucht ihr bewusst, ein bisschen jünger zu sein als das
Fernsehen?
Uli: Nein, ich glaube jeder von unseren Kommentatoren und Experten hat
seinen eigenen Stil und da verstellt sich keiner. Ich versuche etwa nicht in
Floskeln zu sprechen, wie "Er fasst sich ein Herz" oder "Er kommt aus dem
Nichts", sondern suche gerne nach schönen Bildern.
Sebastian: Ich mag
es einfach, aus der Situation heraus etwas zu sagen. Das kann auch mal schief
gehen, wir improvisieren da sehr oft.
Wer hat euch in eurer persönlichen
Art zu kommentieren geprägt?
Uli: Mein Lehrer Fritz von Thurn und Taxis hat mir sehr viel
beigebracht. Ich versuche, als Menschen und Kommentator jeden Tag ein bisschen
mehr wie er zu werden. Ich schätze auch Kai Dittmann von Sky sehr. Und Martin
Tyler aus England ist jemand, mit dem ich groß geworden bin. Sprachlich rutsche
ich ja gerne mal in die Belletristik ab: Ein Vorbild wäre da Roger Willemsen,
den ich sehr gerne lese. Der hatte den perfekten Mix aus Prosa und
Belletristik.
Sebastian: Schreib ich mir auf…
Und du Sebastian aus der
Expertenwelt?
Sebastian: Ich hatte schon als
Spieler keine Vorbilder und habe keinen Verein, den ich supporte. Ich schaue
immer, wer was gut macht und versuche, Dinge zu übernehmen. Meine Partnerin ist Moderatorin und Field-Reporterin
bei Sky. Mit
ihr kann ich mich immer gut austauschen. Aber so ein richtiges Vorbild? Wenn, dann würde ich Frank Lampard nennen. Er ist eloquent, scharfsinnig und das
immer in einer Art und Weise, die sehr motivierend ist. Kein Wunder, dass er
Trainer geworden ist.