8. Juli 2014. Das WM-Halbfinale zwischen Brasilien und Deutschland war bereits nach einer knappen halben Stunde entschieden. Es ging mit 5:0 für Deutschland in die Pause, am Ende stand ein historischer 7:1-Sieg. Denn eigentlich ist Brasilien statistisch gesehen einer der Angstgegner der deutschen Nationalmannschaft: Insgesamt gab's bisher sechs Pflichtspiele zwischen Deutschland und Brasilien, von denen die DFB-Elf nur dieses eine gewinnen konnte.
Der Schmerz über das Halbfinal-Aus bei der WM im eigenen Land sitzt immer noch tief, die Niederlage ist im kollektiven Fußball-Gedächtnis der Brasilianer fest verankert. "Gol de Alemanha" ("Tor für Deutschland") ist in Brasilien zum geflügelten Wort geworden, steht mittlerweile für alles, was schiefgeht.
Die ersten zehn Freundschaftsspiele nach der WM gewann Brasilien. 2016 holte die Mannschaft olympisches Gold in Rio (6:5 n.E. gegen Deutschland), vor knapp einem Jahr qualifizierte sich Brasilien – neben Gastgeber Russland – als erstes Land für die Weltmeisterschaft.
Heute Abend (20.45 Uhr) gibt's im Berliner Olympiastadion die Neuauflage des Halbfinals von 2014 – allerdings nur als Testspiel. Ganz ohne Druck. Während Jogis Jungs einfach nur ein bisschen für die WM testen wollen, ist der Rekord-Weltmeister auf Wiedergutmachung aus. Wir erklären euch, was sich seit der Schmach von Belo Horizonte bei den Brasilianern grundsätzlich verändert hat.
Tite ist schon der zweite Trainer seit dem 7:1, das noch Luiz Felipe Scolari zu verantworten hatte. Sechs Tage nach dem Debakel trat Scolari zurück. Auf ihn folgte Carlos Dunga, der dann aber 2016 nach dem Ausscheiden aus der Copa América entlassen wurde.
Der 56-jährige Tite musste1989 seine aktive Fußballkarriere wegen einer Verletzung beenden. Seit 1990 arbeitet er als Trainer. Besonders erfolgreich war er bei seiner letzten Station, bevor er Nationaltrainer wurde: Mit Corinthians holt er zwei brasilianische Meisterschaften (2011 und 2015), 2012 gewann er die FIFA-Klub-WM und die Copa Libertadores.
Tite scheint einen klaren Plan für die WM zu haben: Bereits im Februar benannte er 15 Spieler, die auf jeden Fall nach Russland mitfahren werden.
Tite lässt in einem variablen 4-1-4-1-System spielen. Er setzt dabei sowohl auf Youngster wie Gabriel Jesus, als auch auf alte Hasen wie Miranda (33) und Dani Alves (34).
Tite setzt auch darauf, dass das Team – anders als 2014 – nicht so sehr von Neymar abhängig ist. Dafür lUnd das könnte sich schon jetzt auszahlen, denn der PSG-Stürmer ist zurzeit verletzt. Es ist sogar fraglich, dass er zum WM-Start in 79 Tagen wieder fit ist.
2014 fiel Neymar nach einem Lendenwirbelbruch, den er im Viertelfinale gegen Kolumbien (2:1) erlitt, für den Rest des Turniers aus. Der Schock darüber wurde nur noch vom 7:1 gegen Deutschland übertroffen...
Klar, wenn Neymar fit ist, dann wird er auch spielen. Aber für den Fall, dass er nicht spielen kann, hat Tite eine beneidenswerte Auswahl an Offensivspielern.
2014 hießen die Stürmer noch Fred, Jô und Hulk. Aus diesem WM-Trio traf lediglich Fred – in der Vorrunde gegen Kamerun. Aus einem Meter. Per Abstauber.
Jetzt stehen Philippe Coutinho, der in der laufenden Saison in 32 Pflichtspielen 15 Tore schoss und 10 Vorlagen gab, Gabriel Jesus (32 Spiele/11 Tore/5 Vorlagen) und Roberto Firmino (42/23/13) im Kader.
Auch Talisca, Willian und Douglas Costa können hinter den Spitzen bzw. auf den Flügeln für ordentlich Torgefahr sorgen.
Brasilien exportiert seit Jahrzehnten einige der besten und feinsten Fußballer. Aber man konnte sich eigentlich immer darauf verlassen, dass die brasilianischen Torhüter eher Mittelmaß sind.
Bei der 2014er 7:1-Schmach stand Julio Cesar (eigentlich auch kein schlechter) im Tor, der hatte allerdings 2014 seine besten Tage bereits hinter sich, stand damals beim FC Toronto unter Vertrag.
Ederson spielt bei Manchester City, kam vor der Saison für 40 Millionen Euro von Benfica Lissabon. Ein mitspielender Torwart, der immer wieder in Citys Passstaffetten eingebunden wird. Beim 4:1-Sieg gegen Tottenham in der Liga spielte er 26 erfolgreiche Pässe. Mehr als Tottenhams Christian Eriksen (24) und Dele Alli (17). Außerdem zählen punktgenaue Abstöße zu seinen Stärken.
Alisson Becker vom AS Rom vereint in seinem Namen brasilianisches Ballgefühl und deutsche Torwartkunst. In 29 Serie-A-Spielen blieb er zwölfmal ohne Gegentor, in der Champions League viermal in acht Spielen.
Doch wer ist der Hüne, der zurzeit beim AS Rom zwischen den Pfosten steht? Vor einigen Wochen kannte ihn fast keiner, mittlerweile ist er sogar von Real Madrid umworben. "Die Königlichen" boten 60 Millionen Euro für Alisson, das würde ihn zum teuersten Torwart aller Zeiten machen – vor Gigi Buffon und seinem Seleção-Konkurrenten Ederson.