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"Die sind eben so" – Doku über Hooligans von Schalke & Dortmund polarisiert bis heute

"Die sind eben so" – wie eine Doku über rechte Ruhrpott-Hools bis heute polarisiert

08.12.2018, 12:5308.12.2018, 12:53
watson sport
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In der Serie Unvergessen blicken wir auf Ereignisse der Sportgeschichte zurück. Zum Revierderby schauen wir auf die Doku "Die sind eben so", die 1983 rechtsradikale Hooligans von Schalke und Dortmund begleitete und bis heute polarisiert.

Die Rivalität zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke produzierte viele Geschichten: Alexander Frei, der den Schalkern nach 49 Jahren die Meisterschaft wegschnappte, Jens Lehmann mit seinem Torwart-Tor oder der Biss eines Hundes in den Hintern von Friedel Rausch. Eine der bekanntesten Geschichten über die Revier-Rivalität wurde jedoch abseits des Feldes im Jahr 1983 produziert, als Regisseur Ulrich Leinweber zwei Fanclubs für die Doku "Die sind eben so" interviewte. 

Die Doku erschüttert aber nicht wegen der Rivalität zwischen den Fans aus dem Ruhrgebiet, sondern vielmehr wegen der rechtsradikalen Gesinnung der beiden Gruppen.

Ein BVB-Fan erklärt in der Doku:

"Wir stehen zu den Nazis, weil die Nazis Power gemacht haben. Und die Borussenfront macht genauso Power."

Ein Schalke-Fan erzählt:

 "Wir hassen die Ausländer wie die Pest."

Über 12 Minuten erklären die rechtsradikalen Fanclubs "Mighty Blues" von Schalke 04 und "Borussenfront" von Borussia Dortmund ihre Theorien über Ausländerhass und ihre Lust nach Gewalt – dabei wusste Regisseur Leinweber zunächst gar nichts von deren Gesinnung.

"Wir wollten einen Beitrag über Vorurteile gegenüber Schalker und Dortmunder Fans drehen", sagte Leinweber in einem Interview mit dem Portal "Vice Sports" über den Film für die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen. "Dass die Mighty Blues und die Borussenfront einen politischen Hintergrund hatten, wussten wir gar nicht."

Doku polarisiert bis heute

Was den Film so besonders machte in den 80er-Jahren: Politisierte Fußballfans waren in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt: "Ich hatte vorher schon mal mit jungen Neonazis gedreht, aber dass es rechtsradikale Gruppen im Fußball gab, war 1983 noch völlig neu", erinnert sich Leinweber bei "Vice Sports". 

Nach Veröffentlichung verbreitete sich der Film besonders im Ruhrgebiet und er gehörte über Jahrzehnte zum Lehrplan an vielen Schulen. "Sie können davon ausgehen, dass dieser Film in jeder Schulklasse in Nordrhein-Westfalen irgendwann mal lief", erklärt Leinweber. Und auch über 35 Jahre nach der Ausstrahlung polarisiert die Doku mit ihren Aussagen: Über 500.000 Klicks hat ein hochgeladenes Video auf Youtube. 

Gelber Fleck auf blauem Grund – mutige BVB-Fans auf Schalke

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Gelber Fleck auf blauem Grund – mutige BVB-Fans auf Schalke
Er hier sieht aus als würde er sich eigentlich ganz wohlfühlen unter Schalkern
quelle: imago sportfotodienst / imago sportfotodienst
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Die User-Kommentare gehen heute von "Ich dachte das sei Comedy, aber das ist traurige Wirklichkeit" bis zu "Ist das peinlich, da fühlt man sich als Schalker echt sowas von schlecht. Aber gut zu wissen das es den Dortmundern auch so geht." Ein anderer schreibt: "Ich hoffe, dass diese Leute sich heutzutage dafür schämen."

Das machen die Protagonisten heute

Für die Dreharbeiten zum Thema "Einmal Nazi - immer Nazi?" suchte Leinweber die Protagonisten im Jahr 1997 auf und erkundigte sich bei den mittlerweile erwachsenen Männern, was aus ihnen geworden ist.

"Dat war eine schöne Zeit. Es war aber schon irgendwie falsch, was man früher gemacht hat", erzählt ein früheres "Mighty Blues"-Mitglied 14 Jahre nach der Doku. Auch ein weiteres  Mitglied der Gruppe erklärt reumütig:

"Wenn da zwei oder drei Mann sind, die sich dafür interessieren und die dann etwas singen und den Arm heben, dann machen da 30 oder 40 Mann mit. Und die anderen 30 oder 40 Mann machen sich im Endeffekt gar keine Gedanken. Die singen da irgendwas nach."

Regisseur Leinweber erinnert sich: "Bei der Recherche im Jahr 1997 stellte sich heraus, dass niemand mehr im rechten Milieu politisch aktiv war – außer einem Mitglied der Borussenfront." Gemeint ist Siegfried Borchardt, auch bekannt als SS-Siggi.

Neonazis gehen am Samstag (18.08.18) in einem Hess-Marsch vom Platz der Vereinten Nationen in Berlin-Friedrichshain Richting S-Bahnhof Lichtenberg. Nach Polizeiangaben waren es 680 Teilnehmer. Foto: D ...
Borchardt auf einem Neonazi-Aufmarsch im Jahr 2018 in Berlin.Bild: imago stock&people

SS-Siggi und Borussenfront

Borchardt ist beinah genau so bekannt wie die Doku. Der Rechtsradikale gründete die Borussenfront mit, aber stand bei "Die sind eben so" nicht vor der Kamera. Laut Leinweber war er jedoch bei den Dreharbeiten in der Kneipe anwesend. Der mehrfach vorbestrafter Aktivist war in den letzten Jahrzehnten in mehreren rechtsradikalen Gruppierungen aktiv und saß im Jahr 2014 kurzzeitig für die Partei "Die Rechte" im Dortmunder Stadtrat.

Im Stadion stehen die Gruppen heute nicht mehr, ihre rechtsradikale Gesinnung lebt aber bis heute bei einige Fans weiter.

(bn)

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