Kommende Woche geht es los: Die Handball-WM in Deutschland und Dänemark startet mit dem Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Korea in Berlin. International betrachtet spielen die deutschen Handballer dabei fast nur die Nebenrolle. Die vereinte Korea-Mannschaft aus Spielern aus Nord und Süd sorgt wie schon das Eishockeyteam bei Olympia für viel Aufmerksamkeit.
Es war Teil einer großen Friedensmission vor der Handball-WM, sah aber aus wie ein ganz normales Training. Die Spieler des vereinten Teams aus Korea schwitzten und lachten zusammen, alle trugen bei der öffentlichen Einheit am Freitag im Berliner Horst-Korber-Sportzentrum das gleiche Outfit. Einzig bei der Schuhwahl zeigten die vier Nordkoreaner Flagge: In blau-rot-weißen Tretern flitzten sie übers Parkett.
Rund ein Dutzend Journalisten und fünf TV-Kameras achteten auf jedes Detail. Beim WM-Eröffnungsspiel am kommenden Donnerstag (18.15 Uhr/ZDF) gegen die deutsche Nationalmannschaft wird die Aufmerksamkeit ungleich größer sein.
Millionen Zuschauer weltweit und 14.800 Fans in der ausverkauften Arena am Ostbahnhof, darunter vielleicht auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und IOC-Präsident Thomas Bach, werden Zeuge eines historischen Auftritts der politisch verfeindeten Brüder-Nationen. Und das im ehemals geteilten Deutschland, in der Mauerstadt Berlin.
Auch DHB-Präsident Andreas Michelmann fühlt sich "aufgrund unserer eigenen Geschichte sehr berührt".
Hauptinitiator der Aktion war von Beginn an IHF-Präsident Hassan Moustafa. Der machtbewusste Ägypter erlebte, wie sich Bach und andere Funktionäre bei den Olympischen Winterspielen als Friedenshelfer initiieren konnten. Das vereinte koreanische Eishockey-Frauenteam war trotz des letzten Platzes eines der großen Attraktionen in Pyeongchang.
Als sich die Handballer Südkoreas fast zeitgleich als Dritter der Asienmeisterschaft für die WM qualifizierten, forcierte Moustafa die sportliche Vereinigung. Vier Nordkoreaner muss oder darf das Team integrieren – je nach Sicht auf die Dinge. Als einzige Mannschaft des Turniers darf Korea mit 20 statt mit 16 Spielern starten. Korea wird mit dem Länderkürzel COR und der weiß-blauen Flagge, die das vereinte Land symbolisiert, antreten.
Seit dem 22. Dezember bereitet sich Korea in Deutschland auf die WM vor. "Als wir die Nordkoreaner kennengelernt haben, war es etwas befremdlich", sagte der südkoreanische Trainer Cho Young-Shin. "Aber mit jedem Abend im Hotel, mit jedem Training, jedem Essen kamen wir uns näher und sind nun freundschaftlich miteinander verbunden."
Bundestrainer Christian Prokop hatte anfangs Probleme, Videomaterial von den Nordkoreanern zu bekommen. Kurz vor dem ersten Gruppenspiel warnt er sein Team: "Sie spielen einen schnellen Ball und sind taktisch diszipliniert. Das wird ein echter Prüfstein für uns." Auch Torhüter Silvio Heinevetter weiß aus Erinnerung an ein Spiel gegen Südkorea vor vielen Jahren: "Das ist schon extrem unangenehm. Diese kleinen schnellen Jungs sind nicht so schlecht, wie man denkt."
Der Weltverband lud auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un zum Eröffnungsspiel ein, doch diese Hoffnung zerschlug sich schnell. In seiner Neujahrsansprache ging Kim zwar nicht auf die Handball-WM ein, er zeigte sich gegenüber Südkorea aber weiter versöhnlich. Kein Wunder, schließlich wollen sich Nord- und Südkorea gemeinsam um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2032 bewerben. Auch deswegen gehen Koreas Handballer bei der Weltmeisterschaft auf Friedensmission.
(bn/sid)