Stehen alte Räder in Deutschland bald still?Bild: E+/getty
Wirtschaft
Stehen alte Windräder vor der Abschaltung? Nein, jetzt gibt es Hoffnung
18.02.2019, 06:4118.02.2019, 06:41
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Für mehrere Tausend Windräder in Deutschland
steht der weitere Betrieb in den nächsten Jahren auf der Kippe. Der Grund: Sie
stammen aus der Pionierzeit der Windenergie und wurden in den Jahren
ab 2000 errichtet.
Üppige Förderungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) lösten damals einen ersten Boom aus und brachten die Windenergie nach vorn. Doch nach 20 Jahren läuft die EEG-Förderung aus.
Die alten Anlagen, die nach heutigen Maßstäben nicht sehr effizient arbeiten und über wenig Leistung verfügen, müssten mit dem Marktpreis für Strom auskommen, ohne zusätzliche Subvention.
Bislang gingen die meisten Experten davon aus, dass bis 2023 bis
zu 14.000 Megawatt installierte Leistung wegfallen können, weil die
alten Windkraftanlagen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind – immerhin ein Viertel der gegenwärtig installierten
Windenergie-Leistung an Land.
Diese Leistung könnte nicht vollständig ersetzt
werden: Viele der Standorte der alten Windräder sind heute nicht mehr
genehmigungsfähig, weil sich gesetzliche Regelungen verändert haben, Etwa der erforderliche Abstand zur Wohnbebauung. Die vorgesehenen
Ausbau-Korridore für die Windkraft an Land sind ohnehin schmal, die
Genehmigungen für neue Anlagen sinken stark.
Der Windenergie an Land droht ein Rückgang, ihr Beitrag zur Energiewende könnte schrumpfen.
Doch nun kommt Rückenwind vom Markt.
"Der Strompreis ist kräftig
gestiegen und damit gibt es auch einen stärkeren Anreiz vom Markt,
die Anlagen weiter zu betreiben", sagt Fabian Huneke von der
Fachberatung Energy Brainpool. Mit einem Erlös von 3,5 Cent je
Kilowattstunde könnten nach seiner Einschätzung viele der alten
Windkraftwerke am Markt bleiben. Aktuell liegt der Börsenpreis für
Strom bei 4,5 Cent je Kilowattstunde, also ein gutes Stück darüber.
Das ist vor allem auf einen höheren Preis für das Klimagas CO2
zurückzuführen.
Für die nächsten Jahre lässt sich der Strompreis nicht
vorhersagen, doch der geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung
dürfte eher preistreibend wirken. Zudem können größere Windmüller
ihre Erträge über Finanzinstrumente absichern oder den Strom per
Direktvertrieb zu festen Preisen vermarkten, um ihre Erlöse
zuverlässig planen zu können und nicht vollständig von den
Schwankungen des Strompreises abhängig zu sein.
Andere Experten sind skeptisch. Um eine alte Anlage weiter zu
betreiben, müsse der Windmüller zunächst einmal per Gutachten die
Betriebs- und Standsicherheit nachweisen, sagt Jürgen Quentin von der
Fachagentur Windenergie an Land. Das koste erst einmal mehr als 10.000 Euro und sei eine Hürde. Und dann komme es sehr auf den Standort
an: "Mit 3,5 Cent je Kilowattstunde kann ein guter Standort an der
Küste klarkommen, aber tiefer im Binnenland sieht das vielleicht ganz
anders aus."
Für die Stromkunden ist es wichtig, ob die alten Anlagen in
Betrieb bleiben oder aus dem Markt gehen. Neue Windräder mit der
gleichen Leistung benötigten zur Produktion der gleichen Strommengen
bis zu 1.7 Milliarden Euro zusätzliche Erlöse, hat der Düsseldorfer
Öko-Stromanbieter Naturstrom ausgerechnet. "Jedes alte Windrad, das
ab 2021 ohne technische Notwendigkeit stillgelegt wird, führt zu
vermeidbaren Kosten für die Allgemeinheit", sagt Vorstand Oliver
Hummel. "Denn es erhöht den Investitionsbedarf in neue Anlagen."
Alte Anlagen sind bezahlt und abgeschrieben, sie produzieren
günstigen Strom. Die neuen Anlagen würden teils über das EEG
finanziert und müssten zwangsläufig den ohnehin sehr hohen Strompreis
in Deutschland weiter in die Höhe treiben. Der Betrag von 1.7
Milliarden Euro beschreibt allerdings die schlechteste Variante. In
der Realität wird es weniger sein.
Ohne Antwort ist auch noch die Frage, wie mehrere Tausend
Windräder in Deutschland zurückgebaut und umweltgerecht entsorgt
werden können. Damit beschäftigen sich einige Entsorgungs- und
Recyclingfirmen, aber eine optimale Lösung ist noch nicht in Sicht.
Während heute die Ingenieure bei der Konstruktion einer Anlage auch
den Abbau und das Recycling gleich mitbedenken, war das vor 20 Jahren
noch nicht Standard. So gibt es nun etliche Probleme beim Rückbau,
von den Rotorblättern aus widerstandsfähigen Kunststoffen bis tief in
den Boden, wo massive Stahlbaufundamente liegen.