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Unter 1000 Euro
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Hier sprechen regelmäßig Menschen, die von Armut betroffen sind.
04.04.2018, 09:5230.04.2018, 07:48
Katharina (Name geändert), 24 Jahre, macht einen Master in Betriebswirtschaftslehre.
Sie ist Werkstudentin in einer Unternehmensberatung und verdient dort 866 Euro
netto. Davon zahlt sie:
- 400 Euro Miete
- 20 Euro Fitnessstudio
- 25 Euro Handyvertrag
- 90 Euro Krankenkasse
- 25 Euro Versicherungen
- ca. 150 Euro Essen
Das macht 710 Euro. Den
Rest gibt sie für Studium, Büro-Kleidung, Medikamente, Haushalt und
Hygieneartikel aus. Zurücklegen kann sie nichts.
Sie kommt aus einer Arbeiterfamilie und muss ihr Studium komplett selbst finanzieren.
Das ist unsere Serie "Unter 1000 Euro"
Die allein erziehende Mutter, der junge Künstler und der Rentner, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt: Auf den ersten Blick haben sie nichts gemeinsam. Doch sie alle sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, genauso wie jeder Fünfte in Deutschland. watson trifft regelmäßig Menschen, die mit weniger als 1000 Euro netto im Monat auskommen müssen.
Würdest du dich selbst als arm
bezeichnen?
Ich
weiß, dass ich mehr verdiene, als so manche Werkstudenten in anderen
Branchen. Andere sind also ärmer. Allerdings ist Beratung eigentlich eine
Branche, in der man mehr verdient und im Vergleich zu meinen festangestellten
Kollegen verdiene ich als Werkstudentin sehr wenig. Die anderen
Werkstudenten werden alle finanziell von ihren Eltern unterstützt und sehen das
Gehalt eher als Extra-Geld.
"Ich allerdings muss mein Studium komplett selbst finanzieren."
Katharina
Gleichzeitig wird von mir erwartet, dass ich gepflegt und hochwertig
gekleidet zur Arbeit erscheine, Reisekosten auslege und an jedem meiner
Arbeitstage mit den Kollegen essen gehe. Ich versuche so gut wie möglich
mitzuhalten, aber eigentlich schaffe ich es nicht. Auf der Arbeit versuche ich
zu verstecken, dass ich so wenig Geld habe.
"Ich schäme mich auch ein bisschen."
Katharina
Das ist der erste Teil der Serie:
Wieso verdienen deine Kollegen so
viel mehr als du?
Ich
bin nur Werkstudentin und obwohl ich fast die gleichen Aufgaben wie meine festangestellten
Kollegen übernehme, bekomme ich viel weniger Gehalt. Am Anfang war ich richtig
stolz auf meine Stelle in der Unternehmensberatung. Ich habe mich angestrengt
und hatte viel Verantwortung. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass die
Bezahlung nicht gerechtfertigt ist für das, was ich dort leiste. Auch, weil ich
viele Überstunden gemacht habe und dadurch mein Studium litt.
"Je mehr ich arbeitete, umso schlechter wurden meine Noten in der Uni und desto mehr verlängerte sich das Studium."
Richtig enttäuscht war ich, als mein Chef mir
sagte, dass er mich trotz guter und verlässlicher Arbeit nach dem Studium nicht
übernehmen wird, weil meine Noten zu schlecht sind. Das Spannungsverhältnis
zwischen guten Noten, Studium schnell abschließen, aber auch Geld verdienen und
Arbeitserfahrung sammeln, macht mir zu schaffen.
Wer ist arm in Deutschland?
16,1 Millionen Menschen, also jeder Fünfte Deutsche, war im Jahr 2015 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
Ein Mensch gilt als von Armut bedroht, wenn mindestens eine der folgenden drei Lebenssituationen zutrifft: (
Quelle: Leben in Europa EU-SILC).
1. Das
Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze. 2015 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1033 Euro, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2170 Euro im Monat.
2.
Der Haushalt ist von erheblicher materieller Entbehrung betroffen. Das bedeutet, dass jemand zum Beispiel nicht in der Lage war, Rechnungen für Miete, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, die Wohnungen angemessen zu beheizen oder eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren.
3. Der Mensch lebt in einem
Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung. eu-silc-bericht 2015
Wieso beantragst du nicht einfach Bafög?
Bafög
bekommt nur, wer maximal 450 Euro neben dem Studium verdient. Ich verdiene ja
mehr und kann daher kein Bafög beantragen. Ich will es auch nicht, denn auf
meine Stelle bei der Unternehmensberatung will ich nicht verzichten. Ich komme
aus der Arbeiterklasse und habe immer gesagt bekommen: "Bildung ist der beste
Weg um den sozialen Aufstieg zu schaffen".
"Das Studium und die Werkstudentenstelle sind meine Ausbildung und ich will immer noch daran glauben, dass wenn ich das irgendwann überstehe, es sich auszahlen wird."
Das lässt mich
kämpfen. Mit der Erfahrung als Werkstudentin bei einer Beratung bin ich im Endeffekt
qualifizierter und erhoffe mir dadurch später bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Auch wenn ich jetzt dafür viel weniger Geld zur Verfügung habe. Trotz der
finanziellen Probleme würde ich jedem raten zu studieren. Ich studiere
wahnsinnig gerne.
Woran merkst du täglich, dass du arm
bist?
Wenn
ich im Supermarkt einkaufe, muss ich darauf achten, dass es nicht zu teuer
wird. Bei Aldi kann ich
für fünfzehn Euro die Woche Essen einkaufen, in andere Supermärkte gehe ich nur, um mir ab und zu Produkte zu kaufen, die bei Aldi nicht angeboten
werden.
"Ich gehe aber auch mal einen Kaffee zu trinken und versuche mit meinen Freunden in Kontakt zu bleiben und nicht zuhause den Vorhang zu zuziehen."
Katharina
Ich habe das Glück, ein paar
Freunde im Nachtleben zu haben, die mich manchmal auf die Gästeliste schreiben.
So kann ich ab und zu auch ausgehen oder ein Konzert besuchen. Es macht mich
schon fertig, so wenig Geld zu haben. Es ist einfach ein ständiger
Kampf.
Was war das krasseste, was du mal
gemacht hast, um an Geld zu kommen?
Ich
mache gelegentlich bei Filmdrehs als Komparse mit. Dafür bekomme ich 60 Euro
für zehn Stunden. Das ist ziemlich undankbar: Wenn ich Pech habe, muss ich stundenlang draußen in der Kälte stehen. Gleichzeitig verpasse ich einen
Uni-Tag oder schenke einen der wenigen freien Tage her, die mir zwischen Vorlesungen,
Arbeit und Lernen zur Verfügung stehen.
Was hast du dir zuletzt gegönnt?
Nachdem mein alter Laptop kaputt ging, musste mir einen Neuen "gönnen", um überhaupt
studieren zu können. Er hat 1300 Euro gekostet. Den konnte ich mir nur kaufen,
weil ich mir vorher einen Studienkredit bei der KfW geholt hatte. Hätte
ich den Kredit nicht gehabt, hätte ich nicht weiter studieren können.
"Klar, macht es mir Sorgen, dass ich den Kredit auch irgendwann zurückzahlen muss."
Katharina
Wie lange dauert es, bis das Geld knapp
wird?
Als ich den Studienkredit noch nicht hatte, habe ich ab Monatsmitte alles mit Kreditkarte bezahlt. Da war ich dann richtig in der Schuldenfalle drin. Denn jeden Monat lebst du dann noch früher vom Kredit. Die Kreditkarten-Schulden habe ich nun mit dem Studienkredit ausgeglichen.
"Ich habe also Schulden mit Schulden beglichen."
Katharina
Was müsste sich deiner
Meinung nach in Deutschland ändern, um deine Situation zu verbessern?
Es
müssten mehr junge Leute in den Bundestag, damit Probleme nicht nur von alten
Leuten angegangen werden und die Bedürfnisse von Studenten und Schülern stärker
berücksichtigt werden.
"Jetzt sitzen da Leute wie Jens Spahn, die keine Ahnung haben, wie es ist, wenn man für seinen eigenen sozialen Aufstieg kämpft."
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Jeder fünfte Deutsche ist von Armut bedroht. Darüber müssen wir sprechen. Würdest auch du dich als arm bezeichnen und möchtest mit uns - gerne anonym - darüber sprechen? Dann schreib uns an
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Deutschland hat im April erneut einen Hitzerekord erlebt. Anfang des Monats wurde bereits die 30-Grad-Marke geknackt. Für viele Menschen hieß es dann: Sonnenbrille auf, Picknickdecke einpacken und ab mit dem Rad an den See oder in den Park. In den Grünanlagen tummelten sich die Menschenmassen, um die ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen des Jahres zu genießen.