Ich war stolz darauf, noch nie "GoT" geguckt zu haben – ich war so dumm 🤦
26.05.2018, 10:3227.05.2018, 15:15
bianca xenia jankovska
Mehr «Spaß»
ACHTUNG: SPOILER!
Falls es tatsächlich noch andere Menschen geben sollte, die noch nicht
mit "GoT" angefangen haben und dies eventuell doch noch nachholen
wollen, dann seid gewarnt: Ich spoilere. Viel!
Du liest also weiter, nun denn, beginnen wir mit einer Frage:
Wo war ich eigentlich, als Jon Snow starb? Nasenbohren?
"Wo
in diesem Internet habe ich eigentlich die vergangenen sieben Jahre gelebt?", frage
ich mich, nachdem ich die erste Staffel "Game of Thrones" mit offenem Mund fertig
geschaut und den Sinn meines Lebens mehrfach hinterfragt habe. Wie konnte es
sein, dass ich nicht nur die weltbeste Serie verpasst habe, sondern auch die
meisten Memes, Trailer und Artikel, die das Internet zu jedem Staffelende fluteten?
HBO via Giphy
Wo war ich, als
Jon Snow starb? Nasenbohren? Oder, anders gefragt: Warum hat es mich bis
Ende
2017 nicht ansatzweise interessiert, wer dieser Charakter überhaupt
ist? In meiner geistigen Umnachtung war er für mich der Protagonist "irgendeiner Vikinger-Serie", die ich mir "sicher nicht" nach Feierabend
gönnen würde. HOLY FUCK.
Dabei
war es nicht einmal so, dass mir niemand von der Serie vorgeschwärmt hatte,
nein. Meine Kolleginnen in Hamburg, mein bester Freund, meine Cousine. Alle
waren sie begeistert von den mystischen Welten und den beeindruckenden Kampf- und
Machtspielchen. Ein bisschen wie «House of Cards», nur mit Schwertern und Drachen.
Und genau das war der springende Punkt, analysiere ich im Nachhinein. Es war
der Verkauf, der bei mir – einer hochglanzverwöhnten Vertreterin der Generation
Instagram – nicht funktionierte. Denn jetzt einmal unter uns:
Bevor ich anfing, "GoT" zu süchteln, stellte ich mir darunter
ungefähr so etwas wie "Harry Potter" vor – nur mit Hagrid in
Ritterrüstung und mehr Sex.
Nicht, dass ich etwas gegen "Harry Potter" habe, im Gegenteil. Ich dachte nur nicht, dass es etwas geben
könnte, das den Filmen meiner Jugend das Wasser reichen kann.
Ich
war zufrieden mit den Fantasy-Serien und Filmen, die ich kannte und an
langweiligen Wochenenden immer wieder abspielte – also "Harry Potter" (zu
kindisch), "Der Herr der Ringe" (zu viel wandern), "Der Hobbit" (Inhalt?) – und zu
sturköpfig und ignorant, um zu erkennen, dass da bereits ganz andere Dimension
der Visual Effects aufgefahren wurden. Dass da draussen eine Serie existierte,
die Harry und seine kleinen Problemchen verdammt blass aussehen lassen würde: "Game of Thrones" nämlich. Eine Serie, die den Nervenkitzel eines Thrillers mit den Wildlife-Dokus
von BBC Nature verband, ohne das grosse Thema Liebe zu vernachlässigen (Team
Brienne und Jamie, anyone?!).
Jaime Lannister und Brienne von Tarth.HBO
Jedenfalls war die Entdeckung "Game of Thrones" ein biografisch einschneidendes Ereignis, das
kurz vor meiner Mandel-OP im Oktober 2017 begann und mein Leben fortan auf den
Kopf stellte. Nichts war mehr wie zuvor. Statt mich mit Freunden zu treffen, kaufte
ich einen Lagervorrat Lieblingschips und sass jeden Abend ohne dem Hauch
eines schlechten Gewissens auf der Couch. Und:
Es war die beste Zeit meines Lebens.
Ich musste mich zusammenreissen, eine ganze Staffel nicht in einer Nacht
durchzubingen, um mir das süsse Vergnügen für den nächste Monat
aufzusparen. Noch nie war ich so verfallen. Was geschieht mit Ramsey? Wo
ist Theon? Lebt Sansa? Fragen, die von nun an mein Leben bestimmten.
Ich wohnte in Berlin und hatte seit vier Monaten
keinen Club von innen gesehen, so stark war ich von der akuten
Game-of-Thronitis betroffen. Meine Vorlieben für die Charaktere
wechselten im
Staffeltakt.
Zuerst
war ich begeisterte Daenerys-Anhängerin, bewunderte sie für ihre
Widerstandskraft und ihren Willen. Gegen Ende der sechsten Staffel entwickelte
ich Sympathien für Cersei. Ja, für Cersei! Einer Frau, die wohl die meisten
Zuseher und Zuseherinnen Winterfells Schattenwölfe an den Hals wünschten. Für
mich war sie die Konsequenz in Person.
Cersei Lannister.hbo
Eine Frau, die sich immer und immer
wieder zurückkämpfte, und gar nicht daran dachte, ihren Schmerz und ihre
Verbissenheit zu kaschieren, nein – sie stand dazu. Gerade weil sie für
eine
Frau scheinbar untypische Eigenschaften (Machtgier, Brutalität,
Unbarmherzigkeit) aufwies, fand ich sie spannend. Mal ganz davon
abgesehen, wie
wunderschön Lena «Cercei» Headey ist. Und Kit "Jon" Harington. Und
Sophie «Sansa» Turner. Und Peter "Tyrion" Dinklage. Und Sibel «Shae»
Kekilli. Hach,
diese Kostüme! Dieses altbackene Englisch. Dieser Witz! Nach fünfzehn
Episoden
entwickelte ich zu den meisten Hauptcharakteren eine gewisse Bindung,
ohne unbedingt etwas mit ihnen gemein zu haben.
Ich freute mich für sie, wenn sie lachten und ich schrie, wenn
sie starben. Ich wollte sie trösten, wenn sie verzweifelten und sie
begleiten, auf Reisen.
Freunde,
die mit mir schauten, mussten mir bei brenzligen Szenen die Hand
halten und amüsierten sich, wenn ich an den richtigen Stellen "NEIN DAS KANN
DOCH WOHL NICHT WAHR SEIN" schrie. Das, worauf sie mehrere Monate, wenn nicht
gar ein Jahr warten mussten, konnte ich mir in einer Woche reinziehen.
Emotionale Achterbahn vorprogrammiert. Zugegeben: Es war ganz schön
verlockend, nach den spannendsten Cliffhangern einfach auf «nächste Folge» zu
drücken, statt eine Woche, oder ein Monat zu warten.
Definitiv eine Folge mit einem Nein-das-kann-doch-wohl-nicht-wahr-sein-Moment: «Red Wedding» aus Staffel 3.
Ich fragte mich, wie sich
andere nach mehrwöchiger Abstinenz überhaupt an den Plot erinnern
konnten – schliesslich
haben es die Macher von "GoT" geschafft, eine vielschichtige Welt mit
mehreren konkurrierenden Häusern zu erschaffen, die sich Mal zu Mal
voneinander abwenden. So, wie sich
eben auch der Wind dreht.
Deshalb,
liebe "Game of Thrones"-Verweigerer und Verweigerinnen: Glaubt mir, wenn ich euch
sage, dass ihr die 67 Folgen vor der Kiste nicht bereuen werdet. Dass ich euch
beneide, weil noch etwas unvergleichbar Aufregendes in diesem Serien-Dschungel
vor euch liegt, das bis heute seinesgleichen sucht. Und ja:
Auch ich war einmal diese Person, die stolz "Habe noch nie eine
Folge GoT gesehen" auf Facebook schrieb. Diese Zeiten sind vorbei.
Ich,
Bianca Xenia Jankovska, First of Her Name, the Queen of Donaustadt, Bixe of the
Great Wedding, Breaker of Journalismus and Mother of Groschenphilosophin, bin des
Fangirl-Seins schuldig und sage hiermit: I confess.
Ich gestehe, dass ich Unrecht
hatte, dass ich es mir in meiner Echokammer bequem gemacht habe wie eine
Afd-Wählerin und nicht stark genug war, um mir einzugestehen: Ich habe die
letzten sieben Jahre einen großen Fehler gemacht, indem ich die Existenz von "Game of Thrones" leugnete und die Ansicht vertrat, Netflix wäre genug für dieses
eine Leben.
Spoiler: Ist es nicht.
Sorry, ich muss jetzt wieder los. Finale schauen.
Dudu
dudududu dudududu dudududu duuuuuuudüüüüüüüüüü düüüüdüüüüüdüüü, düdüdüdüüüüü.