Ein Verein in Aufruhr. Videos von pöbelnden Mitgliedern und schreienden Fans. Viel Solidarität anderer Clubs. Kommentare wie "ein Trauerspiel", "das Schäbigste, was ich je erlebt habe" oder "ein Traditionsclub wird nach allen Regeln der Kunst gekapert". Ein Sponsor strebt nach Macht – doch die Fans wehren sich. Am Mittwochabend konnte man in den sozialen Netzwerken, hauptsächlich auf Twitter, live mitverfolgen, wie sich ein Fußballclub selbst beerdigt: Tennis Borussia Berlin.
Geldgeber übernimmt Traditionsverein. Quer durch Fußballdeutschland ist das ein Phänomen. Und vor allem: ein Problem. Denn, wenn ein Sponsor irgendwann mal die Lust am neuen Spielzeug verliert, sich dazu entscheidet, nicht mehr zu zahlen, ist das Risiko hoch, dass der Verein daran kaputt geht.
Der Ruf des Geldes, er ist reizvoll. Denn Geld ist die Grundlage für sportlichen Erfolg. Nahezu jeder Club, der etwas auf sich hält, will (zurück) in die Top 36 des bezahlten Fußballs, in die erste oder zweite Bundesliga. Unterhalb dieser Ligen heißt es nämlich stets: Hohe Kosten, wenige Einnahmen.
Genau diese Frage stellten am Mittwochabend auch die Fans des Berliner Clubs Tennis Borussia Berlin bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung.
Die als Abteilung Aktive Fans ("TBAF") organisierten Anhänger des Fünftligisten werfen dem Geldgeber und Vorstandsvorsitzenden Jens Redlich vor, den Traditionsverein aus Berlin-Charlottenburg gekapert zu haben. Redlich ist gleichzeitig geschäftsführender Gesellschafter von Tennis Borussias Hauptsponsor "Crunch Fit", einer Fitnessstudiokette.
Bei der Versammlung drückte der seit zwei Jahren im Amt befindliche TeBe-Chef offensichtlich fünf seiner Kandidaten für den Aufsichtsrat durch. Sie konnten sich zwei Drittel der Stimmen der 570 erschienen Mitglieder sichern.
Auf Nachfrage habe Redlich gekontert, eben "auf Akquise" gehen zu müssen, wenn der Verein vergrößert werden solle. Der Tabellenzweite der Oberliga Nordost, Staffel Nord, will unbedingt in die viertklassige Regionalliga aufsteigen. Die halbprofessionelle Liga ist die letzte Hürde vorm bezahlten Fußball.
Redlich war 2016 an die Spitze des Vereins gewählt worden. Bis heute habe der 38-Jährige nach eigenen Angaben rund 2,5 Millionen Euro investiert und die Insolvenz abgewendet. Viele werfen ihm einen autokratischen Führungsstil vor. Er soll Trainer und Aufsichtsratsmitglieder unter Druck gesetzt haben, auch stritt er mit der Abteilung TBAF um das Aufhängen einer Regenbogenflagge im Mommsenstadion.
Den Fans schmeckt sein Engagement überhaupt nicht, sie fühlen sich verarscht. Böse Erinnerungen werden wach: Um die Jahrtausendwende stieg der Finanzdienstleister "Göttinger Gruppe" bei TeBe ein, soll rund 80 Millionen Deutsche Mark in den Verein gepumpt haben, um ihn in den Spitzenfußball zu führen. Es endete damit, dass TeBe im Jahr 2000 keine Lizenz mehr für den Profifußball erhielt ...
Die Abstimmung am Mittwoch geriet zur Farce.
(as/mit dpa)