Guten Appetit. Ihr könnt jetzt wieder essen. Also direkt essen. Essen, so lange das Eigelb noch warm auf der Avocado glimmert und die Granatapfelkerne noch nicht im Kokos-Porridge versunken sind. Also von Herzen: Guten Appetit.
Ihr müsst jetzt nämlich nicht mehr sofort zum Smartphone greifen, wenn die Bowl vor euch steht. Ihr könnt umgehend reinhauen, denn Food ist jetzt einfach nicht mehr so "gramable". Also Instagram-würdig, für die Uneingeweihten.
Orte sind nämlich das neue Essen. Ja, klingt widersinnig. Aber es geht hier schließlich nicht um Nährstoffe, sondern um Gramability. Also die Frage, ob etwas für Instagram geeignet ist, oder nicht. Und die Gramability ist mittlerweile in Bezug auf Orte eben deutlich höher geworden. Orte wie schicke Cafés, hippe Stadtviertel, wie Shoreditch in London oder Williamsburg in New York, oder Museen und Galerien. In der Konsequenz bemühen sich sogar Stadtplaner und Architekten schon zunehmend, "gramable" Umgebungen zu schaffen, wie der britische "Guardian" berichtet.
"Orte" ist, zugegeben, ein ziemlich unspezifischer Terminus. Auch auf Instagram können diesbezüglich ganz unterschiedliche Motive gemeint sein: Eine Sitzgruppe in einem Restaurant, eine Topfpflanze vor einer Wand, eine Skulptur in einem Park.
Vielleicht würde es also helfen, wenn wir einfach einen neuen Begriff dafür kreieren. Nennen wir diese Insta-Orte also einfach "gramscapes". Ein Begriff zusammengezogen aus "Instagram" und "scape" (von landscape) – gramscapes sind nicht einfach nur Orte, sondern gramable Orte.
Klassische Gramscapes kennt ihr alle: Hängende Pflanzen, roségold, inspirational Sprüche und Kacheln. Hauptsache Kacheln. Die Silver Lake Coffeebar in Los Angeles hat mehr als 150.000 Instagram-Follower – jeder, der einmal dort war, verewigt dieses Erlebnis auf Instagram mit einem Shoe-elfie (tut uns leid, wir erfinden gerade wirklich viele neue Wörter), um die schicken Kacheln dort in Szene zu setzen:
Oder das Museum of Ice Cream in den USA. Mehr als 160.000 Hashtags markieren das Museum auf Instagram und wer die Bilder sieht, wird sofort innerlich die Insta-Liste abhaken. Denn als Gramscape bietet das Museum einfach ALLES: pinke Wände, Einhörner, ein Pool mit Zuckerstreuseln.
Gramscapes werden so wichtig, dass es erste Pop-Up Stores gibt, die dieser Bedeutung Rechnung tragen. Die nennen sich "selfie factory". In diesen Stores kann man gegen Eintritt vor social-media-optimierter Kulisse Fotos von sich machen. In englischen Brighton hat gerade so eine Factory eröffnet, mit zehn "fotofreundlichen Orten, die ihre Social Media-Präsenz aufwerten”: Konfetti, aufblasbare Bagels, Luftballons und noch mehr Zuckerstreusel. Kostenpunkt: 14 Euro für eine halbe Stunde.
Eine Selfie Factory gibt es in Deutschland derzeit noch nicht, aber wir tippen mal darauf, dass das nicht mehr ganz lange dauern wird. Bis dahin könnt ihr euch ja vielleicht mit exterior Gramscapes vergnügen. Zum Beispiel dem “Tiger and Turtle” in Duisburg: