Schauspieler Tim Sander gehörte Ende der 90er zu Deutschlands größten Serienhelden. In "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" spielte er von 1998 bis 2002 die Rolle des Kai Scholl – bis er den Serientod starb. watson.de erzählt der heute 40-Jährige, wie sich sein Leben seitdem verändert hat und warum er heute nicht mehr mitspielen würde.
watson: Vor 16 Jahren ist deine Rolle Kai Scholl den Serientod gestorben. Bereust du die Entscheidung, dass du bei GZSZ ausgestiegen bist? Tim Sander: Nein, überhaupt nicht. Es war genau der richtige
Zeitpunkt. Es war gut, dass ich nach vier Jahren bei GZSZ aufgehört habe, da
ich lieber bei anderen Projekten mitwirken wollte. Schon damals wurde mir
ein Stempel aufgrund der Serie aufgedrückt. Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich
hätte sechs oder sieben Jahre mit dem Aufhören gewartet, wäre es noch krasser
gewesen.
Viele Darsteller erhoffen sich nach dem Serien-Aus die große Film- und Kinokarriere. Das ist Quatsch und ich
weiß auch nicht, warum das so ist. Als ich in den USA war, habe ich auch ein
paar Schauspieler kennengelernt, die bei Soaps ihre Karriere begonnen haben. Es
ist dort tatsächlich so, dass es ein größeres Sprungbrett ist. Genauso ist
es bei Justin Timberlake, der vorher in einer Boyband war. Hierzulande ist es
wirklich schwer, größere Projekte wie eine Rolle im Kinofilm zu bekommen,
wenn ein Schauspieler erstmal diesen Soap-Stempel hat.
Tim Sander und Oliver Petzokat in einer Szene bei GZSZ
Bild: RTL
Hat dir die Rolle bei GZSZ
dennoch geholfen? Ich kann mich absolut nicht
beschweren und das habe ich auch nie gemacht. Ich habe da wahnsinnig viel
gelernt, tolle Leute kennengelernt und es war eine super Zeit. Ich habe es nie
bereut, bei dieser Soap mitgemacht zu haben, aber auch nicht bereut,
ausgestiegen zu sein.
Was ist das Beste, was dir
seit deinem Ausstieg passiert ist? 80 Prozent an meinem Job
machen total viel Spaß. Die anderen 20 Prozent sind seltsamen Leuten oder
komischen Erfahrungen geschuldet. Gerade arbeite ich sehr viel als
Synchronsprecher. Das ist eigentlich mein täglicher Job. Das
Zusammenkommen mit den Arbeitskollegen fühlt sich an wie ein Familientreffen.
Es ist auch nicht schlimm, wenn du 14 oder 15
Stunden durchknüppelst.
Welchen Star synchronisierst du denn? Ich leihe Casey Affleck,
dem Bruder von Ben Affleck, meine Stimme. Wenn er Englisch spricht, hat er fast
meine Stimme. Leider kriege ich die Rolle nicht in jedem Film, weil das
immer Redaktionsentscheidungen sind. Wenn ich ihn machen darf, freue ich
mich total, weil ich ihn einfach als Typ total cool finde.
Vor einem Jahr bist du auch
Vater einer Tochter geworden. Hältst du deine Familie bewusst aus der
Öffentlichkeit raus? Nein, eigentlich nicht.
Meine Freundin steht einfach nicht auf diesen Medienrummel. Es geht im
Show-Business nur darum, sich selber zu vermarkten und teilweise sitzen Leute
in Talkshows, die noch nie etwas in ihrem Leben gemacht
haben – außer sich nackt zu zeigen oder beim Bachelor
mitzumachen.
Präsentierst du dich nicht
gerne? Etwa auf Social Media?
Instagram macht mir großen
Spaß. Es ist schon witzig, ein lustiges Foto zu posten oder eine Story zu
drehen. Aber sich wegen jeder Kleinigkeit in Talkshows zu setzen, ist
überflüssig. Ich biete auch einfach nicht die Geschichten, die die
heutigen Social-Media-Stars täglich zeigen.
Wie sieht es mit weiterer
Kinderplanung aus?
Ja, auf jeden Fall. Ich
weiß noch nicht wann, aber eins kommt auf jeden Fall noch.
Möchtest du noch heiraten? Ich finde das
Eheversprechen vor dem Staat und auf dem Papier hat gar nichts zu sagen. Viel
krasser ist es, wenn ich mit meiner Partnerin ein Kind habe. Das ist für mich
ein viel größeres Versprechen an meine Frau und an die gemeinsame Zeit.
Dieses Empfinden habe ich bei meinen Eltern erlebt. Wenn Partner ein Kind
zusammen kriegen, dann heißt das, dass sie sich sicher sind.
Tim Sander (rechts) im Jahr 2001 im Film "Wie Feuer und Flamme"
Bild: United Archives/imago
Von 1998 bis 2002 warst du
fast täglich im TV mit einer speziellen Frisur zu sehen. Schämst du dich heute
dafür?Nein, überhaupt nicht.
Schlimm ist, dass die Fotos durch das Internet nicht in Vergessenheit geraten.
Damals waren diese auffälligen, wuscheligen Frisuren in. In der Jugend sieht
doch keiner cool aus. Ich war auch Mitglied einer Punk-Rock-Band, wo das
sehr gut gepasst hat. Es gibt ganz wenige, die stolz darauf sind, wie sie
früher aussahen. Ich sah aus wie ein Meerschweinchen auf Ecstasy.
Schaust du noch GZSZ?
Ich schaue ab und zu mal
rein, weil meine Freundin die Sendung nach der Arbeit zur Berieselung guckt.
Könntest du dir vorstellen,
noch einmal mitzumachen?
Leider bin ich damals den
Serientod gestorben. Aber grundsätzlich wäre ein Wiederkommen albern. Wenn ich
etwas abgeschlossen habe, dann bleibt das auch dabei. Eine Rückkehr würde sich
anfühlen, als wenn ich wieder in die sechste Klasse gehe.
Tim Sander als Kai Scholl kurz vor seinem Ausstieg bei GZSZ
Bild: RTL
Was war dein schönstes und was dein schlimmstes Erlebnis am Set?
Mein dramatischer Ausstieg, der im Sandsteingebirge gedreht wurde, war mein
schönstes und traurigstes Erlebnis zugleich. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich,
dass hier eine große Ära zu Ende geht. Ich habe mich echt gut mit vielen
Leuten im Team verstanden und es war schön, dass ich zum Abschluss noch mal
einen Außendreh hatte. Teilweise war das natürlich auch sehr traurig, weil
alle am Set wussten, dass wir jetzt meinen Serientod drehen und wir uns nicht
mehr jeden Tag sehen.
Hast du heutzutage noch mit dem damaligen Cast Kontakt?
Meinen wirklich besten Freund im Leben habe ich am GZSZ-Set kennengelernt.
Er hat aber hinter den Kulissen gearbeitet und war in der Plattenfirma tätig,
die zur Firma gehört hat. Mit ihm habe ich eine Band zusammen. Zu Jeanette
Biedermann oder anderen gibt es aber keinen Kontakt mehr.
Der GZSZ-Cast 1998
Bild: teutopress/imago
Findest du es nervig, wenn dich noch jeder mit Kai Scholl verbindet?
Das ist nicht nervig. Ich freue mich, dass ich nicht aus den Köpfen der
Fans verschwunden bin. Das wäre viel schlimmer für mich. Ich sehe es als gutes
Zeichen für die Arbeit, die ich damals gemacht habe.
Könntest du dir vorstellen, in einer anderen Daily-Soap noch mal
mitzuwirken?
Es kommt darauf an, was es wäre. Heutzutage würde ich nichts ausschließen,
weil sich jeder nach einem festen, sicheren Job die Finger leckt. Es müsste
eine gute Serie sein, die gut geschrieben ist und dann hätte ich definitiv
Lust dazu.
Matthias Schweighöfer und Tim Sander standen schon öfters gemeinsam vor der Kamera
Bild: Sabine Gudath/imago
Dein letzter Kinofilm „Macho Man“ ist mittlerweile drei
Jahre her. Sehen wir dich in Zukunft auch in einem Reality-Format wie dem
Dschungelcamp?
Nein, ich würde niemals bei so etwas mitmachen. Ich schaue die Sendung zwar
gerne, aber mit so einer Teilnahme sende ich eine falsche Botschaft. Vor der
ersten Staffel bin ich für eine Teilnahme angefragt worden. Als ich die
Show gesehen habe, wusste ich, das hätte ich auf keinen Fall gemacht. So nötig
habe ich es nun nicht. Genauso wenig werde ich an
irgendwelchen Möbelhauseröffnungen teilnehmen oder auf Mallorca
irgendwelche Singles präsentieren. Das alles ist nicht meine Welt, da würde ich
untergehen und hätte kein reines Gewissen mehr.
Als T der Bär ist Tim Sander musikalisch unterwegs
Du hast gerade als Musiker ein neues Lied namens „SteSteSte“ rausgebracht.
Dort regst du dich über den Konsum der Menschen auf. Warum ist dir das Thema so
wichtig?
Ich lasse mich für meine Texte von alltäglichen Sachen inspirieren und
dadurch habe ich die Idee für das Lied bekommen. Tatsächlich finde ich, dass es
einfach zu viel von allem gibt. Ein ausschlaggebender Punkt dafür war mal
wieder ein Werbeversprechen, bei dem ich gedacht habe, das kann nicht sein,
dass alle zwei Monate noch ein geileres Produkt rauskommt.
Ein Beispiel
dafür sind Rasierklingen. Das klingt so, als hätte sich die Menschheit vor 50
Jahren mit Steinklötzen rasiert und auf einmal ist die Super-Erfindung da. So
ähnlich ist es auch mit Shopping-Malls. Wozu brauchen wir über 60 Stück
davon in Berlin? Es wird dir vermittelt, dass der Konsum dich glücklich macht,
du dadurch Spaß am Leben hast. Wenn du nicht richtig Kohle hast, dann
kannst du nicht glücklich sein. Das ist das, was dir vermittelt wird. Diese
Einstellung geht mir richtig auf den Keks.
Kannst du von der Musik, die du machst, leben?
Mein Brot-Job sind Synchron-Rollen und die Schauspielerei. Mit meiner Musik
verdiene ich null Cent. Die Ausnahmen waren da immer Konzerte oder eine Tour
mit meiner Band. Von Streaming-Diensten oder Gema-Abrechnungen könnte ich
mir, wenn es hochkommt, ein PlayStation-Spiel kaufen. Davon leben können nur
Menschen, die Millionen Mal ihre Platten verkaufen oder genauso viele
Streams haben. Musik ist für mich nur pure Leidenschaft. Ich habe schon einen Beruf, deshalb will ich mit meiner Musik nur das machen, worauf ich Lust
habe. Ich brauche somit nichts Radiotaugliches oder eine Hit-Single und
das ist super.
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