Auch wenn der Traum von Gold vorzeitig platzte – Kapitän Uwe Gensheimer und Co. haben ihr großes Ziel Halbfinale erreicht und, für die Sportart vielleicht noch wichtiger, das ganze Land mit packenden Auftritten begeistert.
Mehr als 900.000 Besucher sahen die Spiele in Berlin, Köln, München, Kopenhagen und Herning – das bedeutet Rekord: Die bisherige Bestmarke hielt die WM 2007 in Deutschland mit insgesamt 750.000 Zuschauern. Den Löwenanteil lieferten dabei die deutschen Standorte.
Während die Hallen in Kopenhagen und Herning bei nicht-dänischen Partien oft ziemlich leer waren, strömten beispielsweise in Köln selbst beim Platzierungsspiel zwischen Katar und Chile mehr als 13.000 Menschen in die Arena und feierten ausgelassene WM-Partys. Auch München, wo die deutsche Mannschaft gar nicht spielte, meldete mehrfach ausverkauft.
Der Druck auf den Bundestrainer war vor dem Turnier maximal groß. Nach der EM-Enttäuschung mit Platz neun galt die WM als seine zweite - einige sprachen gar von der letzten - Chance. Und Prokop nutzte sie. Die Medaillenspiele erreicht, eine neue Euphorie entfacht: so darf es weitergehen.
15.000 Fans feierten, die Spieler weinten: Handball-Zwerg Brasilien sorgte mit seinem Überraschungs-Coup gegen Kroatien für einen der schönsten WM-Momente. Die Sportart fristet in Südamerika ein absolutes Nischendasein, doch mit ihrem Einzug in die Hauptrunde bewiesen die Brasilianer: Der Abstand zur Spitze ist kleiner geworden.
Die kleinliche Regelauslegung der Referees sorgte bei Fans und Protagonisten immer wieder für Kopfschütteln. Kleinste Vergehen wurden sanktioniert, es hagelte Zeitstrafen. Bis zum Ende des Turniers schafften es die Teams nicht, sich auf die harte Linie der Schiedsrichter einzustellen.
Mit seinem Trip nach Florida und spitzen Kommentaren bei Instagram sorgte Tobias Reichmann zum Turnierstart für reichlich Wirbel. Aus einer möglichen Nachnominierung des Rechtsaußen, der es nicht in den 16-Mann-Kader geschafft hatte, wurde nichts. Ob er nach seinem Fauxpas überhaupt noch einmal für Deutschland aufläuft, darf bezweifelt werden.
Aus deutscher Sicht steht das traurige WM-Aus von Martin Strobel (Kreuzbandriss) sinnbildlich für die vielen Verletzten bei dem Turnier. Das Programm für die Handballer ist mörderisch, Finalist Norwegen spielte beispielsweise 10 Spiele an 17 Tagen.
Frankreichs Co-Trainer Guillaume Gille sprach schon in der Vorrunde von "schlimmsten Zeiten des Sports", Ex-Bundestrainer Dagur Sigurdsson warnte vor der Gefahr eines Burn-out. Insgesamt tauschten die 24 WM-Teilnehmer im Turnierverlauf 48 Spieler aus.
Anderthalb Jahre vor den Olympischen Spielen in Tokio waren die Japaner ganz nah dran an einem WM-Sieg, doch selbst gegen Teams wie Bahrain und Angola reichte es nicht. Es wartet noch viel Arbeit auf den früheren Bundestrainer Sigurdsson.
Beide Ausrichterverbände machten einen tollen Job, keine Frage. Doch ein gemeinsames WM-Feeling kam nie auf. DHB-Vizepräsident Bob Hanning sagte schon in der Vorrunde, dass er Dänemark "überhaupt nicht wahrnehme". Kurz vor den Finalspielen bezeichnete er es als "einzigen Fehler" des Turniers, dass das Endspiel in Herning stattfindet. Diese Sicht der Dinge hatte Hanning nicht exklusiv.
(bn/afp)