Dem Unternehmen von Michael O'Leary machen vor allem Streiks und der Preiskampf mit den anderen Billigfliegern zu schaffen. imago-montage
Wirtschaft
Ryanair unter Druck – wie der Billigflieger-Boss seine Airline retten will
10.12.2018, 20:0410.12.2018, 20:04
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"Ryanair must change - Ryanair muss sich
ändern" - mit diesem Schlachtruf auf den Lippen haben im zu Ende gehenden Jahr Gewerkschaften europaweit gegen Ryanair mobil gemacht und den
größten Billigflieger des Kontinents zu Zugeständnissen gebracht.
Niedriglöhne, Leiharbeit, willkürliche Versetzungen, hartes Personalregiment und eine anti-gewerkschaftliche Grundhaltung gehörten lange zur DNA der Airline.
Ryanair wurde 1985 im irischen Dublin gegründet. Von ihrem langjährigen Chef Michael O'Leary stammt das
Zitat, dass eher die Hölle zufrieren werde, als dass Ryanair mit
Gewerkschaften verhandele.
In O'Learys Hölle kann es nicht mehr allzu heiß sein, denn nach teils
abgestimmten Streiks der Piloten und Flugbegleiter in acht
europäischen Märkten hat Ryanair bis zum Jahresende etliche
Gewerkschaften anerkannt, Tarifverträge oder zumindest Eckpunkte
vereinbart und sich bereitgefunden, Arbeitsverträge nach dem jeweils
nationalen Recht abzuschließen.
In vielen Fragen sind die neuen
Bestimmungen für die Beschäftigten vorteilhafter als das bislang
angewandte irische Recht.
Was hat sich für die Piloten verbessert?
In Deutschland, dem wichtigsten Wachstumsmarkt der Ryanair, haben
sowohl Verdi für die Flugbegleiter als auch die Pilotengewerkschaft
Cockpit (VC) Grundsatzvereinbarungen erreicht, die neben deutlichen
Gehaltszuwächsen auch mehr Schutz bei Versetzungen oder
Stationsschließungen versprechen. Zumindest bei den Piloten sind die
Leiharbeitskonstruktionen abgeschafft, wie die VC bestätigt.
Wird Ryanair also zu einer ganz normalen Airline?
Wird jetzt alles menschenwürdig? Mit auskömmlich bis
gut bezahlten Beschäftigten und ohne Sozial-Malus bei kritischen
Konsumenten? Fast hat es den Anschein, doch in zahlreichen Details
zeigt sich noch immer der eisenharte Sparwille, der die Airline groß
gemacht hat.
Das Vertrauen der Börse schwindet allerdings: Der
Aktienkurs hat seit dem Höchststand im August 2017 trotz einer
weiterhin starken Umsatzmarge von zuletzt 25 Prozent ein gutes
Drittel nachgegeben.
Ein Grund dafür sind die höheren Personalkosten, die laut Ryanair
schon im laufenden Geschäftsjahr um mehr als 180 Millionen Euro
steigen dürften.
Und das war noch nicht alles, sagen Experten:
"Aber es wird noch einiges hinzukommen, wenn in den kommenden Monaten weitere Tarifverträge mit Gewerkschaften abgeschlossen werden und Arbeitsverträge auf das jeweilige nationale Arbeitsrecht umgestellt werden."
Branchenexperte Daniel Roeska vom Analysehaus Bernstein
Den Nettogewinn von 1.45 Milliarden
Euro aus dem abgelaufenen Jahr dürfte Europas größter Billigflieger
nach seiner Einschätzung so schnell nicht mehr wiederholen können.
Haben es Ryanair-Mitarbeiter jetzt besser?
Ein bisschen schon, aber natürlich wieder nicht überall. Die European Cockpit Association (ECA) schaut besonders misstrauisch
nach Polen, wo Ryanair derzeit die Subgesellschaft Ryanair Sun mit 20
Flugzeugen im kommenden Jahr und einem expliziten Leiharbeitermodell
aufbaut.
Die Arbeitsverträge der Piloten seien ein "abschreckendes
Beispiel für alles, was in Europa mit Beschäftigungs- und
Arbeitsbedingungen falsch läuft", schimpft der scheidende
ECA-Präsident Dirk Polloczek. Gemeinsam mit der tarifierten Tochter
Laudamotion aus Österreich ist die Sun wichtigstes
Wachstumsinstrument für die Gruppe. In Osteuropa treten die Iren
damit gegen die ebenfalls ultra-kostenbewusste Wizz Air an.
Ryanair-Chef Michael O'Leary musste Rückschläge hinnehmen.Bild: reuters
Auch in vermeintlichen Kleinigkeiten zeigt sich das Kostenbewusstsein bei Ryanair weiterhin. Nach eigenen Angaben hat sich das Unternehmen mit Vorkontrakten umfassend gegen steigende Ölpreise abgesichert und streitet mit der britischen Luftverkehrsaufsicht erbittert über die Frage, ob die von den Streiks betroffenen Passagiere Entschädigungen erhalten sollen oder nicht. "Dieser Streik ist nicht in unserem Verantwortungsbereich. Wenn er das wäre, gäbe es keinen Streik", lautet dazu der Kommentar von Marketingchef Kenny Jacobs.
Wie werden sich Ryanair und die Branche im nächsten Jahr entwickeln?
Der von Ryanair stets mitbefeuerte Preiskampf unter den
Fluggesellschaften dürfte Experten zufolge auch 2019 weitergehen. "Wegen der Flut neuer Flugzeuge in Europa wird das Flugangebot im
Winter voraussichtlich um zehn Prozent wachsen", analysiert Roeska.
Das hohe Angebot drücke voraussichtlich auf die Ticketerlöse. Kurz
zuvor hatte Ryanair bekanntgegeben, die eigene Flugkapazität im
Winterhalbjahr statt um 7 Prozent nur noch um 6 Prozent auszuweiten.
Bleiben an einer Station die Passagierzahlen unter den Erwartungen,
verlagert Ryanair die Maschinen und Crews weiterhin blitzschnell.
Zuletzt wurden die Basen in Bremen und Eindhoven geschlossen und die
in Weeze am Niederrhein deutlich zurückgebaut.
Wo "melkt" Ryanair seine Passagiere noch?
Bei den Nebeneinnahmen
kassieren die Iren inzwischen schon dafür, dass Familien, die
zusammen gebucht haben, im Flugzeug auch tatsächlich zusammensitzen
können.
Bis auf kleine Taschen kostet nahezu jedes Gepäckstück
inklusive der bislang freien Kabinen-Rollkoffer nach den kürzlich
geänderten Beförderungsbedingungen zudem eine Extra-Gebühr.