Landkarten können für Streit sorgen. Wo soll eine Landesgrenze verlaufen? Gehört die Krim zum Beispiel weiterhin zur Ukraine, oder schlagen Kartographen sie Russland zu, das die Halbinsel völkerrechtswidrig annektiert hat? Ob sie es will, oder nicht: Die Kartographie ist hochpolitisch. Sie kann allerdings auch sehr unterhaltsam sein.
Das Greifswalder "Katapult"-Magazin geht seit 2015 mit gutem Beispiel voran. 100 ihrer besten Karten haben die "Katapult"-Macher gerade in ein Buch gegossen. "100 Karten, die deine Sicht auf die Welt verändern", heißt es. Auf rund 200 Seiten überrascht das Buch mit unerwarteten kartographischen Details und jeder Menge unnützem Wissen – liebevoll aufbereitet und mit viel Witz geschrieben.
Diese Deutschlandkarte zeigt die absurdesten Ortsnamen des Landes. Wusstest du etwa, dass "Fickmühlen" gleich neben Grönland liegt und zwischen "Killer" und "Grab" das schöne "Gammelshausen" ist? Die meisten Orte mit Kotz-Bezug, befinden sich laut "Katapult"-Zählung übrigens in Bayern: Kotzendorf, Großkotzenreuth und Kleinkotzenreuth. Prost Mahlzeit.
Zwei rudimentäre Straßenkarten zeigen, was für unterschiedliche Entstehungsgeschichten die Hauptstädte Washington D.C. und Berlin haben. Während die US-Hauptstadt am Reißbrett entworfen und gradlinig konstruiert wurde...
... ist Berlin aus mehreren ursprünglich eigenständigen Orten zusammengewachsen. Das führt heute noch dazu, dass die Stadt viele verschiedene Zentren hat.
Das ist der längste gerade Seeweg der Welt. Wo ist das denn bitte gerade? Das ist ganz einfach erklärt: Auf dem Globus. Wenn die Erdkugel auf eine zweidimensionale Karte übertragen wird, kommt es zu Verzerrungen. Die sind so stark, dass eine gerade Linie auf einmal so aussieht. ⬆️
Eine der verbreitetsten Möglichkeiten, den dreidimensionalen Globus einer Dimension zu berauben, ist die Mercator-Projektion. Die "Katapult"-Macher erklären in ihrem Buch auch, was für Probleme die dadurch entstehenden Verzerrungen mit sich bringen: Je weiter ein Land vom Äquator entfernt ist, desto größer sieht es auf der Karte aus. Der afrikanische Kontinent wirkt dadurch etwa deutlich kleiner, als er ist. (Wie gesagt: Kartographie ist politisch!)
Bitte was? Lecker! Die Bezeichnungen für Brezeln und Berliner unterscheiden sich in den verschiedenen Gebieten des deutschen Sprachraum teilweise deutlich. Alleine aus der Verwendung der beiden Worte lässt sich ablesen, dass der Autor dieser Zeilen nördlich des Brezel-Äquators und westlich der Berliner-Linie aufgewachsen ist.
Ganz klar Russland: Der höchste Wolkenkratzer Europas ist das "Lakhta Center" im russischen St.Petersburg mit ganzen 462 Metern. Abgeschlagen auf dem letzten Platz liegt das kleine Fürstentum Liechtenstein. Dessen höchstes Gebäude ist die Liechtensteinische Post mit gerade mal 22 Metern. Das kratzt höchstens am Bodennebel.
Die "Katapult"-Karten sind in erster Linie eines: sehr unterhaltsam. Da gibt es eine Karte des Stromverbrauchs in Europa im Jahr 1500 (it's zero, stupid). Oder die Weltkarte nach einem Meeresspiegelanstieg um 8800 Meter – nur die Everest-Insel würde noch aus dem Wasser schauen. Charmant ist auch der europaweite Vergleich der "Bevölkerung pro Kopf".
Viele der Karten und Infografiken machen allerdings deutlich mehr, als die Leser zu unterhalten. Sie vermitteln überaus anschaulich Wissen über Welt und die Wissenschaft. Der Vergleich der "Bevölkerung pro Kopf" etwa führt das Prinzip ad absurdum, jede Zahl auf Teufel-komm-raus auf einen "pro-Kopf-Wert" herunterbrechen zu wollen. Das sei nämlich nur manchmal sinnvoll, erklärt das "Katapult"-Buch:
Andere Karten zeigen, wie alt Menschen in den verschiedenen Ländern unseres Planeten im Schnitt werden, oder wie (un)gleich die Vermögen in ihnen verteilt sind. Als I-Tüpfelchen erfährt der Leser außerdem, welches Land die größte Dichte an Metal-Bands hat (hier ergibt auch der pro-Kopf-Vergleich wieder Sinn) und wie sich die Namen von Punk-Bands und Friseur-Salons deutschlandweit voneinander unterscheiden.
Wer Geographie als Kind schon cool fand, wird das "Katapult"-Buch lieben. Und wer sich im Erdkunde-Unterricht damals zu Tode gelangweilt hat, wird feststellen, dass Karten auch Spaß machen können.