Über den Projektionsschirm im Darmstädter Raumflugkontrollzentrum (Esoc) der Europäischen Weltraumagentur ESA rast der Feuerball, der am 15. Februar 2013 über hoch dem russischen Tscheljabinsk explodierte. Der Asteroid war klein – er hatte nur einen Durchmesser von 17 bis 20 Metern. Aber bei seiner Explosion löste eine gewaltige Druckwelle aus, die mehr als 1200 Menschen verletzte und 5000 Gebäude beschädigte.
Der Esoc-Leiter Rolf Densing zeigt am Montag vor Journalisten noch einmal die Aufnahmen vom Tscheljabinsk-Asteroiden. "Der nächste Einschlag wird kommen", sagt Densing. Die Frage sei nicht, ob er komme, sondern lediglich wann.
Weltraumschrott oder umherfliegende Gesteinsbrocken können Satelliten im All zerstören. Im schlimmsten Fall können erdnahe Objekte auf Kollisionskurs mit der Erde geraten und das Leben auf dem Planeten gefährden. Wie man diesen Risiken am besten begegnet, diskutieren Experten ab heute auf einer dreitägigen Konferenz der Europäischen Weltraumorganisation Esa, die am Dienstag im Raumflugkontrollzentrum (Esoc) in Darmstadt beginnt.
Erst vor wenigen Tagen hatte Rolf Densing angekündigt, das Programm zur Abwehr gefährlicher Objekte aus dem All ausbauen zu wollen. 200 Millionen Euro sollen dazu jährlich zusätzlich beantragt werden. Gefahren frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren sei maßgeblich, um die Risiken zu minimieren.
Im Mittelpunkt stehen auf der Konferenz folgende Themen:
Esa-Mitarbeiter Rüdiger Jehn ist für die Abwehr von Gefahren aus dem All zuständig und hat die Konferenz in Darmstadt mitorganisiert. Für ihn spielt unter anderem die Überwachung von Weltraumtrümmern eine entscheidende Rolle. Das Problem müsse dringend angegangen werden, sagt er. Schon die künstlichen Himmelskörper bereiten den Experten Sorge: Da die Kosten für Satelliten günstiger werden, kreisen immer mehr dieser Objekte um die Erde.
In den kommenden Jahren würden weitere Objekte in eine nahe Umlaufbahn gehievt, die dann etwa in die globale Internet-Struktur eingebunden werden sollen. "Es dürfte sich um mehrere tausend Objekte handeln", sagt Jehn. Mit zunehmender Dichte steige die Gefahr von Kollisionen.
Besonders problematisch sei dies vor dem Hintergrund, dass bereits viel Schrott aus früheren Zusammenstößen um die Erde kreise, sagt Jehn. Die Fragmente ziehen weiter ihre Bahnen, bedrohen Wetter- oder Navigationssatelliten. Wie sich abgewrackte Satelliten wieder eingefangen ließen, ist eines der Themen der Konferenz. Intakte Satelliten oder Sonden könnten Trümmerteilen nur entkommen, wenn Techniker fortlaufend den Weg der Fragmente im Blick haben. Wie dies effizient funktionieren kann, soll ebenfalls in Darmstadt besprochen werden.
Größere Gefahr für das Leben auf der Erde geht von Meteoriten, Kometen oder Asteroiden aus. Ein Beispiel: In gut zehn Jahren wird der "Gott der Zerstörung" den Erdlingen ganz nah auf die Pelle rücken: Der Asteroid Apophis, benannt nach der altägyptischen Gottheit des Chaos, schrammt im April 2029 haarscharf an der Erde vorbei. Um wenige zehntausend Kilometer wird der 300-Meter-Brocken unseren Planeten verfehlen – übrigens am Freitag, dem 13. April 2029.
Wäre Apophis auf Crashkurs, würde sein Einschlag ganze Regionen vernichten. Und Apophis ist nur einer von unzähligen Gesteinsbrocken, die als Überbleibsel der Geburt unseres Planetensystems vor gut 4,6 Milliarden Jahren um die Sonne rasen. Dabei kommen manche von ihnen der Erde sehr nah – Near-Earth Objects (Neos) werden diese Brocken von den Astronomen genannt.
Zu dieser Gruppe zählen Asteroiden wie jenes Zehnkilometergeschoss, das vor 65 Millionen Jahren auf Mexikos Halbinsel Yucatán einschlug, einen tiefgreifenden Klimawandel auslöste und so höchstwahrscheinlich das Aussterben der Dinosaurier einleitete. Vor 15 Millionen Jahren donnerte ein kilometergroßer Brocken auf die Schwäbische Alb herab und hinterließ einen riesigen Krater, der heute als Nördlinger Ries bekannt ist.
Doch auch kleine "Bomben" aus dem All können große Schäden anrichten: Am 30. Juni 1908 explodierte ein 50-Meter-Brocken über dem sibirischen Fluss "Steinige Tunguska". Die Druckwelle fegte mit der Sprengkraft von mehreren hundert Hiroshima-Atombomben über das unbewohnte Waldgebiet hinweg. Wäre der Brocken über dicht besiedeltem Gebiet detoniert, hätte es hunderttausende Tote gegeben.
Die Abwehr eines Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde könnte also eines vielleicht ganz nicht so fernen Tages zur Schicksalsfrage der Menschheit werden. Seit Jahren werden mehrere Szenarien diskutiert:
Zumindest wenn es um Einschläge kleinerer Objekte geht. Würde etwa ein Asteroiden mit einem Durchmesser von zehn Kilometern auf der Erde einschlagen, wäre das womöglich das Ende der Menschheit.
(dpa/afp)