Alexander Gerst kommt heim – Nächstes Ziel: Der Mond?
19.12.2018, 12:1819.12.2018, 12:18
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Für Alexander Gerst könnte es ein
Abschied für immer sein von der Internationalen Raumstation ISS. Am Donnerstag wird der Astronaut nach fast 200
Tagen auf der ISS in der winterlichen Steppe Kasachstans landen. Ob er nochmal auf die ISS zurückkehren wird, ist ungewiss. Es gilt zwar
als höchst wahrscheinlich, dass der 42-Jährige noch einmal in den
Kosmos fliegt. Aber dann zum dritten Mal zur ISS?
In deutschen Raumfahrtkreisen denkt man an – und hofft auf – eine
andere ehrgeizige Mission: Die USA wollen 2023 erstmals seit
Jahrzehnten wieder den Mond umrunden – mit einem bemannten
Orion-Raumschiff, das derzeit in Zusammenarbeit mit Europa entsteht.
Was läge da näher, als auf eine solche Forschungsreise mit wohl vier
Astronauten einen Europäer mitzunehmen? "Das ist gut denkbar, aber
eine solche Mission hat auch politische Aspekte", heißt es dazu
noch sehr diplomatisch.
Ein Teil von Gerst war schon auf dem Mond
Eine Reise von Gerst um den Mond wäre auch eine Erinnerung daran,
warum der Mann aus Künzelsau in Baden-Württemberg Astronaut der
Europäischen Weltraumorganisation (Esa) wurde. Sein Großvater
richtete einst als Amateurfunker eine Antenne ins All und ließ seinen
Enkel ins Mikrofon sprechen. Die Radiowellen seien zum Mond gereist
und als Echo zurückgekommen, erzählte Gerst einmal. "Damit war für
mich Sechsjährigen ein Teil von mir auf dem Mond."
Bild: AP POOL
Zählt man seine beiden bisherigen Missionen auf der Raumstation
zusammen, war kein Deutscher so lange im All wie Gerst: insgesamt fast ein
Jahr. Wie wird es also weitergehen mit dem 42-Jährigen, der die
ISS zuletzt sogar als Kommandant leitete? "Er ist weiter Mitglied des
Esa-Astronauten-Corps – insofern ist auch die Möglichkeit eines
weiteren Flugs gegeben", sagt Europas Raumfahrtchef Jan Wörner.
Auch Missionsleiter Volker Schmid vom Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR) meint: "Ich gehe davon aus, dass er noch mal
fliegt." Das wäre dann Gersts dritte Reise ins All – soviel kosmische
Erfahrung sammelte in Deutschland nur Ulf Merbold zwischen 1983 und
1994.
Das Leben auf der ISS ist nicht so prickelnd
Aus seiner Faszination für die ISS hat der Geophysiker nie ein Geheimnis gemacht. Mit rund 28.000
Stundenkilometern rast das fliegende Labor in etwa 90 Minuten einmal
um den Erdball. Raumfahrer schwärmen vom Blick aus rund 400
Kilometern Höhe auf unseren Planeten. Nachts funkeln Megastädte, tagsüber glitzern Ozeane.
Abgesehen von dieser Aussicht ist der Koloss im Kosmos aber alles
andere als eine schwebende Traumherberge, allein schon wegen des Dauerlärms
von Lüftung und allen möglichen Geräten. Bei schlechter Luft und
bescheidenem Essen lebe die außerirdische Wohngemeinschaft fast ohne
Privatsphäre zwischen Computern und Kabeln, sagte einmal der
US-Astronaut Chris Cassidy. "Die Raumstation ist kein Luftschloss,
sondern eher ein Zeltlager."
So läuft die Rückkehr zur Erde
Die Rückkehr zur Erde mit der Sojus-Raumkapsel gilt als technisch
anspruchsvoll. Nach dem Abkoppeln von der Raumstation rast die Kapsel
zunächst ungebremst in die Atmosphäre, die Luftreibung erzeugt dabei
Temperaturen von etwa 2500 Grad. Massive Kräfte werden Gerst und
seine beiden Mit-Rückkehrer Serena Auñón-Chancellor (USA) und Sergej
Prokopjew (Russland) in die Sitze pressen. "Ich kann kaum atmen, weil
meine Zunge so stark an den Gaumen gedrückt wird", beschrieb Gerst
2014 seinen Rückflug von seiner ersten ISS-Mission.
Das Bild wurde direkt nach Gersts Rückkehr von seinem ersten ISS-Aufenthalt gemacht.Bild: imago stock&people
Etwa sechs Stunden nach dem Abdocken sollte die Kapsel am frühen
Donnerstagmorgen in der baumlosen Weite Zentralasiens landen (ca. 6.03 Uhr MEZ). Bereits am Abend wird Gerst in Köln erwartet. Bis
dahin verschickt sein E-Mail-Postfach weiter eine automatische
Antwort:
"Ich bin gerade auf Dienstreise in der Erdumlaufbahn. Bitte versuchen Sie es freundlicherweise im Januar 2019 wieder."
Auf der Erde werden Ärzte untersuchen, wie sich die mehr als 3000
Erdumrundungen auf seinen Körper ausgewirkt haben. "Zunächst wird uns
die Auswertung der auslaufenden Mission ein gutes Jahr beschäftigen",
sagt Missionsleiter Schmid.
Zuletzt gab es Probleme bei der Mission
Einige Fragen bleiben noch offen nach der Mission auf dem Außenposten der
Menschheit. Noch immer ist ungeklärt, wie ein Loch in die Wand einer
Raumkapsel geraten konnte. Und nach dem Fehlstart einer Sojus-Rakete
Mitte Oktober musste Gerst lange auf Verstärkung warten, Experimente
mussten verschoben werden. Trotzdem zieht Schmid eine positive
Bilanz: "Die Wissenschaftler sind sehr zufrieden."
Was auf der Strecke blieb: Die beiden Außeneinsätze von Gerst
fielen aus. Zudem konnten technische Probleme beim Roboter "Cimon"
und beim Tierbeobachtungsprojekt "Icarus" nicht gelöst werden. "Wenn
eine Panne passiert, muss man Kompromisse machen", sagt Schmid. "Wir
haben aber gute Resultate eingefahren. Das andere können wir
nachholen."
Der nächste Deutsche bereitet sich schon auf den Weltraum vor
Unabhängig davon, ob Gerst noch einmal zur ISS reist oder nicht,
wird der Forschungskomplex wohl nicht ohne deutsches
Besatzungsmitglied bleiben. Europas Raumfahrtbehörde Esa arbeitet
derzeit an einem Einsatz für Deutschlands nächsten Astronauten
Matthias Maurer in der Schwerelosigkeit.
Der 48-jährige Saarländer
könnte 2020/21 zur Raumstation fliegen oder vielleicht an einer
chinesischen Raumfahrtmission teilnehmen. Maurer wäre der zwölfte
Deutsche im All.
(pbl/dpa)
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Alexander Gerst
Auf Instagram ist Alexander Gerst als "Astro-Alex" unterwegs.