Bei solchen Choreos ist klar: Auch die SGE-Fans haben einen Anteil am Erfolg. Bild: imago sportfotodienst
Fußball
"Egal wo: Wir holen was" – 3 Frankfurt-Fans erklären den Eintracht-Erfolg
26.11.2018, 13:5426.11.2018, 14:20
watson sport
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Der Adler fliegt, fliegt und fliegt. Eintracht Frankfurt galt für viele im August noch als klarer Abstiegskandidat. Ja, auch einige watson-Redakteure hatten die Hessen auf dem Abstiegszettel. Jetzt steht die SGE pötzlich auf Platz 3 – zwei Punkte vor Ex-Trainer Niko Kovac und seinen kriselnden Bayern.
Die Fans sangen beim 3:1-Sieg am Samstag in Augsburg also schon von der deutschen Meisterschaft. Diese Euphorie stört derzeit nicht mal die Club-Bosse. "Die sollen ruhig feiern und sich mit Vielem befassen. Das machen wir auch intern", sagte Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner und setzte sich ein Ziel: "Dass wir so lange wie möglich vorne dabei bleiben und unseren Angriffsfußball auch auswärts durchbringen wollen. Dass wir für Euphorie, Power und Wucht stehen."
Wir haben drei Frankfurt-Fans mit kritischer Adler-Brille gefragt, wieso die Eintracht dort oben steht – und wohin der ganze Wahnsinn noch gehen soll...
Mirko
bild: privat
Viele dachten, die Eintracht steigt ab. Warum läuft es noch besser als vergangene
Saison? Die
Befürchtung hatte ich auch. Die Doppelbelastung mit der
Europa League sollte man als kleine Mannschaft nie unterschätzen – Grüße gehen
raus an Nürnberg und Köln! Wobei ich klein auf den Kader beziehe, den hatte ich
schwächer als vergangene Saison eingeschätzt. Mit den Abgängen von Hradecky,
Mascarell, Boateng und Wolf sind schließlich auf fast allen Positionen wichtige
Spieler weggefallen.
Ich war zwar überzeugt, dass Hütter guten Fußball spielen lassen
kann. Aber ich hätte nicht gedacht, dass die Mannschaft es so gut und vor allem
so schnell umsetzen kann. Knackpunkte waren sicherlich der erste Spieltag in
Freiburg und der Sieg in Unterzahl in Marseille im ersten Europa League-Spiel. Die
Vorbereitung lief schließlich bescheiden und nach dem Pokalaus kam einige
Kritik am Trainer und der Transferpolitik auf.
Nach dem Sieg in Freiburg konnte
endlich etwas ruhiger gearbeitet werden und mit dem Spiel in Marseille und auch
dem 4:1-Heimsieg gegen Rom ist endgültig der Knoten geplatzt. Seither hat man das
Gefühl: Egal, wo wir hinfahren, wir holen was.
Wichtigster Erfolgsfaktor ist für mich, dass die Mannschaft
gut harmoniert und die Schnelligkeit unserer Offensivspieler nutzt. Vergangenes Jahr waren wir schon extrem giftig (Letzter in der Fairplay-Tabelle), jetzt
sind wir genauso giftig und spielen zusätzlich noch Fußball.
Wer ist für den Höhenflug verantwortlich? Von Bobic hab' ich anfangs nicht besonders viel gehalten und
wenn ich den Hübner mit seiner Frise sehe, wird mir schlecht, aber irgendwas
müssen die anscheinend richtig machen. Und bei den Transfers der vergangenen Jahre
muss ich mich fast entschuldigen. Vor allem wegen Vallejo (mittlerweile zurück bei Real Madrid, war ausgeliehen; d. Red.) und Torro. Ich hatte
die Namen noch nie gehört, die kommen aus der zweiten spanischen Liga und
spielen mit einer Ruhe, als würden sie seit zehn Jahren Champions League spielen.
Boateng, Wolf, Rebic und Haller waren natürlich auch Toptransfers.
Aus Eintrachts Offensivpaket nicht mehr wegzudenken: Sébastien Haller. Bild: imago sportfotodienst
Für den aktuellen Erfolg ist für mich aber vor allem Hütter verantwortlich.
Man sieht an Haller, wie viel mehr er aus den Spielern rausholen kann. Die
Qualität den Ball zu halten, hatte Haller schon immer, aber letztes Jahr sind
die Spieler nicht schnell genug nachgerückt. Heute hat er innerhalb von
Sekunden drei Anspielstationen und zusammen spielen die es dann meistens gut zu
Ende.
Welche Spieler sind die Erfolgsgaranten? Eigentlich kann man hier fast die gesamte Mannschaft nennen,
wirklich negativ ist mir noch keiner aufgefallen. Besonders herausheben würde
ich Hasebe und unsere Offensivachse. Hasebe hat diese Saison gefühlt noch
keinen Zweikampf verloren.
Und unsere Stürmer machen einfach einen überragenden
Job. Haller und Jovic können jederzeit treffen und Rebic hat trotz anfänglicher
Verletzung nahtlos an letzte Saison angeknüpft. Ich dachte, er wird ohne Kovac
einknicken, aber sogar Rebic fängt langsam an, Fußball zu spielen. Früher ist
der wie ein Pferd mit Scheuklappen in die Gegner gerannt, jetzt spielt der
richtig mannschaftsdienlich.
In aller Munde: Ante Rebic.Bild: imago sportfotodienst
Von den Sommertransfers würde ich noch Torro,
N’Dicka und Kostic erwähnen. Kostic bringt nochmal zusätzliches Tempo für die
Außenbahnen und N’Dicka spielt hinten trotz seiner 19 Jahre richtig souverän.
Torro ist leider gerade verletzt, aber der wird noch seine Spiele bekommen.
Und wie viel Anteil haben die Fans? Mindestens 90 Prozent. Nein, aber ehrlich, ich glaube so eng
war die Verbindung zwischen Fans und Mannschaft selten. Das hat schon in den
letzten Jahren angefangen mit der Protestaktion gegen Montagsspiele im Heimspiel
gegen Leipzig. Nach dem Spiel hat sich ein Leipziger über die Tennisbälle auf
dem Platz beschwert, im Gegensatz dazu hat Chandler erklärt, dass die
Mannschaft 100 Prozent hinter den Fans steht.
Bild: imago sportfotodienst
Erwähnen muss man auch Peter
Fischer mit seinem klaren Bekenntnissen zur Eintracht und gegen die AfD und natürlich
den Pokalsieg. Am nächsten Tag stand ein Capo von den Ultras mit auf dem
Rathausbalkon und hat von den Spielern das Mikrofon in die Hand bekommen.
Im
Moment wird einfach vieles richtig gemacht. Vor dem Spiel gegen Marseille
posierte die Mannschaft in T-Shirts mit dem Aufdruck "12. Mann" für die
ausgesperrten Fans und hat sich danach auf dem Platz zerrissen. So war es
allgemein in allen Europa-League-Spielen. Die Atmosphäre war jedes Mal
einzigartig und die Mannschaft hat sich mit überragenden Leistungen bedankt. So
sollte es ja auch eigentlich sein – nochmal Grüße an Werner Spinner und den FC
Köln.
Wenn du mehr von Mirkos Meinung über die SGE hören willst oder mit ihm diskutieren willst, schreib ihm auf Twitter.
Laura
Bild: imago sportfotodienst
Anfangs dachten viele Fans, dass es um den Abstieg geht, jetzt steht die SGE auf Platz 3. Wer ist deiner Meinung nach für den Höhenflug
verantwortlich? Es
stimmt, es sah zunächst düster aus – oder sagen wir wenig rosig. Der voreiligen Schwarz-Malerei der Eintracht-Fans mit Beginn der Saison sollte dann aber relativ
schnell ein Ende gesetzt werden. Hütter
hat immer wieder betont, er bräuchte ein wenig Zeit, um seine Spielphilosophie
umzusetzen. Er hatte recht. Der Höhenflug ist aber sicherlich nicht
nur der Verdienst von einer Person. Ich würde sagen, es ist eine Mischung aus
der Arbeit von Niko Kovac und seinem Trainerteam und natürlich von Adi
Hütter und Team. Und sicher auch von Bruno Hübner, unserem
Sportdirektor, Fredi Bobic, dem Sportvorstand und dessen Vorgänger Heribert
Bruchhagen, die bei den jeweiligen Verpflichtungen der Trainer ein glückliches
Händchen bewiesen haben.
Generell lässt sich der Aufschwung und Erfolg auch
durch kontinuierliches Haushalten und gleichzeitiges wirtschaftliches Wachstum
erklären. Einerseits wurde lange Zeit versucht auch in Transferangelegenheiten
nicht über die Verhältnisse zu leben, andererseits werden perspektivisch durch
gezieltes Scouting vermehrt junge Talente für verhältnismäßig wenig Geld aus dem
Ausland geholt, bei der Eintracht weiterentwickelt und schließlich
gewinnbringend an einen größeren Club weiterverkauft.
Die Chemie passt: Hütter und Jovic beim Sieg in Augsburg. Bild: imago sportfotodienst
Parallel wächst und gedeiht die
Eintracht auch abseits davon: der Verein knackte vor Kurzem die 60.000
Mitglieder-Marke, vermarktet sich ab nächstem Jahr selbst, wird immer
internationaler. Auch das Team hinter dem Team, egal ob Video-Analysten,
medizinische Abteilung, Dolmetscher, Medienabteilung, Marketingabteilung oder
Fanbeauftragte – Eintracht Frankfurt wird nicht nur immer professioneller,
sondern bietet zudem eine Wohlfühl-Atmosphäre für die Spieler, die diese nicht
mehr missen möchten. Nicht umsonst hat sich Vize-Weltmeister Ante Rebic nach
der WM in Russland gegen andere Topclubs im Ausland und für die Eintracht
entschieden.
Was ist in dieser Saison noch drin? Ich hoffe, bete und gehe insgeheim schon davon aus, dass die Eintracht es schaffen wird, sich sowohl in der Liga in der oberen Tabellenhälfte zu behaupten, als auch in der Europa League Ungeahntes zu erreichen. Für die Bundesliga sollten wir im Hinterkopf behalten, dass eine Saison immer aus einer Hin- UND einer Rückrunde besteht. Auch auf die besten Hinrunden können die schlechtesten Rückrunden folgen.
Die größte Aufgabe wird es sein, die Spieler im Zuge der Doppelbelastung körperlich und geistig auf einem konstant hohen Level zu halten. In der Europa League traue ich der SGE mit unseren Fans im Rücken ein kleines Wunder zu. Unser Vorteil hierbei: Wir müssen international keine Erwartungen erfüllen, wir können sie nur übertreffen. Aber warum sollten wir nach unserer "Monster-Gruppe" in der Gruppenphase mit Lazio Rom, Olympique Marseille und Apollon Limassol nicht noch ein paar weitere gute Spiele machen und beispielsweise ins Halbfinale einziehen?
Jakob
bild: privat
Wer ist für den Höhenflug der Adler verantwortlich? Das Große und Ganze passt einfach gut zusammen: Jeder, ob Manager, Trainer und Trainerstab, Mannschaft oder
jeder Einzelspieler und natürlich jeder einzelne Fan trägt zum den Höhenflug bei.
Welche Spieler sind die Erfolgsgaranten? In erster Linie sind alle Spieler und Verantwortlichen des
Vereins, aber auch die Fans für den Erfolg verantwortlich. Aber trotzdem gibt
es natürlich Leistungsträger, die unheimlich wichtig sind für die Eintracht.
Stand jetzt haben wir eine Offensiv-Reihe mit Rebic, Jovic und Haller, die ein
Tor nach dem anderen schießen und deshalb auch momentan so gefürchtet wird von
jedem Gegner.
Die Fünferpacker der Bundesliga
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Die Fünferpacker der Bundesliga
Luka Jovic feiert mit Filip Kostic.
quelle: imago sportfotodienst / ulrich hufnagel
Dass der Trainer Herr Hütter sich aber auch traut, diese brutale
Offensiv-Kette spielen zu lassen, spiegelt sein Konzept wieder. Er will
aggressiven Offensivfußball spielen, den Gegner schon früh in der eigenen
Hälfte in Bedrängnis bringen, um dann bei schneller Balleroberung sofort
umzuschalten, um die Stärken von Jovic oder Rebic (Schnelligkeit und
Aggressivität) mit Wucht nach vorne zu bringen.
Dann haben wir hinten
erfahrene Spieler wie Hasebe oder Abraham, die hinten nichts anbrennen lassen,
zweikampfstark sind und bei Ballgewinn schnell, aber überlegt und klug, die
Bälle nach vorne verteilen. Torro, der momentan leider verletzt ist, hat in den
ersten Spielen gezeigt, dass er sich gut ins Team integriert hat und für die
Mannschaft sehr wichtig in der Mitte ist. Auf den Außen sind wir mit Da Costa
gut besetzt, der seine Chance genutzt hat und von Spiel zu Spiel mehr an
Erfahrung gewinnt.
In Frankfurt muss man das fragen: Wie groß ist der Anteil der Fans? Jeder einzelne Fan großen Anteil für den momentanen Erfolg der Eintracht. Ich und viele andere Fans haben zuletzt so viel miterlebt, vom Abstieg in die 2. Liga und dem Wiederaufstieg, dem Europapokal, dem Fast-Abstieg. Und dann kam die grandiose Saison mit Kovac und natürlich das Highlight mit dem DFB-Pokal-Sieg in diesem Jahr. Diesen Aufschwung haben alle der Sportgemeinde mitgenommen und weiterverbreitet. Wir stehen sehr eng zusammen und übertragen die Euphorie aufs Team.
BVB: Verwirrung um Matthias Sammer als TV-Experte – Prime Video reagiert
Für Niko Kovač hätte es zum Start beim BVB sicherlich ein einfacheres Programm geben können. Seine Premiere auf der Bank der Dortmunder feiert er am Samstag mit einem Heimspiel gegen den kriselnden VfB Stuttgart. Bereits drei Tage später geht es in den Play-offs der Champions League in Lissabon gegen Sporting.