Vor fünf Jahren outete sich der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger. Damit ist er im Profifußball Vorreiter – und bleibt bis heute mit dem Coming-Out allein.
Nun hofft er, dass sich das bald ändern könnte. Der ARD-"Radio-Recherche Sport" erzählte der 36-Jährige: "Es gibt jetzt eine ganz andere Gesprächsebene". Außerdem schätzt der Ex-Nationalspieler die Fußballfans mittlerweile als "viel aufgeklärter, viel aufgeschlossener" ein.
Diese rosigen Ansichten kann Uwe Zühlsdorf nicht teilen. Uwe ist der Vorsitzende des ersten Homosexuellen-Fanclubs "Hertha-Junxx" und steht bei jedem Heimspiel hinter einem Banner mit der Aufschrift "Fußball ist alles, auch schwul." Immer mit dabei: die sichere Gewissheit, dass der Großteil der Fans das ganz anders sieht.
Uwe Zühlsdorf (zweite von rechts) und weitere Clubmitglieder.bild: privat
Wir haben mit dem 49-Jährigen über mögliche Spieler-Coming-Outs, Homosexualität als Provokation und düstere Prognosen für den Profifußball gesprochen.
watson: Hast du im Stadion als Vorsitzender der "Hertha-Junxx" schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht? Uwe Zühlsdorf: So eine richtig schlechte Erfahrung zum Glück nicht. Natürlich kommt hier und da mal ein Spruch. Aber man kennt uns mittlerweile im Stadion, wir stehen immerhin seit Jahren an der gleichen Stelle. Da hat sich die Aufregung schon gelegt. Wenn mal was kommt, dann kontere ich einfach und probiere das Ganze ins Lächerliche zu ziehen.
Thomas Hitzlsperger outete sich im Januar 2014. Bild: imago sportfotodienst
Das klingt sehr selbstsicher. Naja, man muss als Schwuler beim Fußball schon darauf achten, wo und wie man sich präsentiert. Man darf nicht unnötig provozieren, sonst kann es im Zweifel richtig gefährlich werden. Im Endeffekt sehen wir aus wie ganz normale Fans. Nein, besser gesagt: Wir sind ganz normale Fans. Es ist schwierig, uns was anzukreiden.
Gehen wir mal davon aus, du bist mit deinem Partner in der Kurve. Würdest du seine Hand nehmen und ihn küssen oder zählst du das schon als "Provokation"? Das gilt schon als Provokation. Ich muss meinen Partner nicht im Stadion küssen oder seine Hand halten. Das gehört nicht in die Kurve und würde ziemlich sicher Stress geben. Es gibt Fans, die fühlen sich davon angegriffen und auf diese Konflikte habe ich eben auch keine Lust. Ich will Fußball gucken. Alles andere muss ich dann an anderen Orten ausleben.
Trotzdem stehst du offen zu deiner Homosexualität im Stadion – man sieht dich bei allen Heimspielen hinter dem Banner "Fußball ist alles, auch schwul"... Das ist etwas anderes als knutschend auf der Tribüne zu stehen. Ich bin schwul, dazu stehe ich. Schwule Männer haben einen Platz im Fußball und sind genauso ein wertiger Teil der Fankultur wie jeder andere. Leider ist genau das noch nicht in allen Köpfen angekommen. Wir stehen hinter dem Banner, um ein Statement zu setzen und Fans darauf aufmerksam zu machen, dass es uns gibt.
So sieht das im Stadion aus:
imago/sport
Stell dir vor, der Vereinsvorsitzende kommt mit einem Spieler zu euch, der sich öffentlich als homosexuell outen möchte. Was würdest du dem Spieler raten? Als Erstes würde ich ihn fragen, ob er noch weitere homosexuelle Spieler aus der Bundesliga kennt. Denn die einzige Möglichkeit, ein Outing für einen aktiven Spieler aushaltbar zu machen, ist ein gemeinsames Coming-Out. Ein Spieler alleine könnte die Reaktionen der Fans und der Medien nicht abfedern. Mehrere Coming-Outs aus verschiedenen Mannschaften wären der einzige Weg. Und selbst das wäre noch hart und riskant.
Also würdest du einem einzelnen Spieler von einem Coming-Out abraten? Auf jeden Fall. Ein Coming-Out wäre das Ende der Karriere. Ein einzelner Spieler würde an den Reaktionen der Fans und der Medien zerbrechen. Ausnahmen wären vielleicht die großen Weltfußballer, die über den Dingen stehen. Ein normaler Bundesligaspieler hätte keine Chance.
Die Hertha-Junxx auf einer Demo.bild: privat
Das ist eine ziemlich frustrierende Einschätzung. Ja, aber das ist leider einfach so. Fußball ist ein Spitzensport, bei dem Homosexualität keinen Platz hat. Zumindest nicht in den oberen Ligen. Da hängt für die Jungs einfach zu viel dran, die ganze Karriere und somit auch ihre Existenz. Das wird sich in den nächsten paar Jahren auch nicht ändern, der Fußball und die Fans sind noch nicht bereit für eine solche Offenheit.
Wie wichtig wäre denn ein weiteres Coming-Out für die Fußballwelt? Natürlich wäre das wichtig. Vor allem für junge schwule Männer wäre eine aktive Identifikationsperson im Fußball toll. Im Moment wird ja das fälschliche Bild verkauft, dass Fußballer generell nicht schwul sind. Für junge, homosexuelle Männer kann das schmerzhaft sein.
Nervt dich denn das männerdominierte Machogehabe in der Kurve? Ach, das gehört dazu. Das war nie anders und ich gehe schon seit vielen Jahren ins Stadion. Damit müssen wir leben. Bei besonders schrägen Typen suche ich manchmal das Einzelgespräch, denn aus Erfahrung weiß ich, dass das Argumentieren gegen eine Masse überhaupt nichts bringt.
Ein weiteres Banner im Olympiastadion.Bild: imago sportfotodienst
Ich bin ehrlich gesagt erstaunt, wie gelassen du über die Thematik sprichst. Fußball ist dein Leben, obwohl deine Sexualität dort tabuisiert und in Teilen sogar verachtet wird. Wie hältst du das aus? Ich gehöre als Schwuler einer Minderheit an. Damit habe ich schon mein ganzes Leben zu kämpfen, in einigen Bereichen mehr und in anderen weniger. Es lohnt sich einfach nicht, die Ausgrenzung zu meinem Lebensmittelpunkt zu machen. Ich bin Trainer, spiele selber Fußball und bin Vorsitzender der "Hertha-Junxx". Fußball ist Teil meiner Identität, diesen Teil lasse ich mir von niemandem nehmen.
Wie kann man die Akzeptanz von Homosexuellen im Fußball denn vorantreiben? In allererster Linie müsste es vonseiten der Vereine bessere Aufklärungsarbeiten geben. Homosexualität muss häufiger thematisiert und dadurch normalisiert werden. Ein neuer Homo-Fanclub mit jungen Mitgliedern würde aber vielleicht auch schon reichen, um einen Stein ins Rollen zu bringen. Fußball kann junge Menschen, die etwas bewegen wollen gut gebrauchen.
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