Niko Kovac beim Spiel seiner Bayern gegen Gladbach. Als Trainer ist er bei Misserfolgen das schwächste Glied in der Kette, aber auch die Spieler müssen sich zusammenreißen und ihre Leistung auf den Platz bringen.Bild: imago/eibner
Meinung
Nicht Kovac steht auf dem Platz – die Bayern-Stars müssen ihre Arroganz ablegen
Sieben Spiele, vier Siege, ein Unentschieden, zwei Niederlagen. Macht 13 Punkte, liest sich eigentlich gar nicht so schlecht. 17 von 18 Bundesligisten würden dazu sagen: Guter Start, darauf lässt sich aufbauen.
Bei einem von 18 Bundesligisten ist das aber anders. Beim FC Bayern. Der Rekordmeister steht mit besagten 13 Punkten aus sieben Spielen aktuell "nur" auf Platz sechs der Tabelle. Die 0:3-Heim-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach war das vierte Pflichtspiel in Folge ohne Sieg.
Vor vier Jahren, am 30. Spieltag der Saison 2013/14 gegen Dortmund, gab's für Bayern zuletzt eine so hohe Niederlage (0:3) im eigenen Stadion.
James, Müller und Hummels sind derzeit ziemlich blass.Bild: imago sportfotodienst
Woran liegt's? Am Trainer? Oder sind's vielleicht die Spieler?
100 Tage ist Niko Kovac in dieser Woche als Bayern-Trainer im Amt. Nach einem traumhaften Start mit den Münchnern muss er nun schon um seinen Job kämpfen.
"Ich kenne die Mechanismen im Fußball, ich weiß, dass die Zeit beim FC Bayern anders läuft als anderswo."
Niko Kovac nach dem Gladbach-Spiel.
Statt wie nach seinen sieben Siegen (!) in den ersten sieben Pflichtspielen der Saison (!!) als neuer Münchner Erfolgscoach gefeiert zu werden, steht der Kroate jetzt in der Kritik. Matthias Sammer hält es für "pervers", dass schon jetzt, nach einer kleinen Durststrecke, über ihn diskutiert wird. ("Kicker")
Die Spieler müssen auch mal liefern
Klar: Kovac ist der Trainer, trägt die Verantwortung, ist bei Misserfolgen das schwächste Glied in der Kette. Aber: Die Lösungen auf dem Platz müssen auch die Spieler finden. Die fanden sie in den vergangenen vier Partien aber nicht.
Thomas Müller, am Samstag wirkungslos, sprach nach der erschütternden Leistung von einer "Mischung aus Fehlern, Unvermögen und eben einem gewissen Antilauf".
Gegen Gladbach hatten die Bayern mehr als 70 Prozent der Zeit den Ball, doch sie wussten nichts damit anzufangen.
"Es ist nicht so, dass wir so viele Chancen versemmelt haben. Wir hatten einfach keine."
Joshua Kimmich
Sky-Experte Lothar Matthäus befand, dass die Einstellung nicht da gewesen sei: "Deshalb kommt es zu solchen Ergebnissen. Es hat so ausgesehen, dass einige Spieler nicht die Motivation haben. Lewandowski zum Beispiel. James läuft herum, als ob er nicht dazu gehört, ist aber beleidigt, wenn er nicht von Beginn an spielt."
Viel Arroganz, wenig Selbstkritik
Matthäus brachte es auf den Punkt: "Unzufriedene und beleidigte Spieler – wie soll so etwas funktionieren? Einem FC Bayern darf so ein Spiel nicht passieren."
Erstes Beispiel: Kolumbiens Superstar James Rodriguez ist eingeschnappt, weil er bisher nicht immer in der Startelf stand. Über Spielweise und Trainingsinhalte soll er gezischelt haben:
Zweites Beispiel: Die alternden Flügelstürmer Arjen Robben und Franck Ribéry sind regelmäßig bockig, wenn sie auf der Bank sitzen – obwohl sie bisher nicht gerade mit Überleistungen geglänzt haben und daher eigentlich nicht in der Position sind, es zu kritisieren, wenn sie aus Rotationsgründen nicht in der Startelf stehen bzw. ausgewechselt werden.
Ein Bild, tausend Worte.Bild: imago/MIS/renate feil
Drittes Beispiel: Die Körpersprache von Mats Hummels beim dritten Tor der Gladbacher durch Patrick Hermann. Beim Einwurf der Gäste, der schließlich zum Tor führte, stand Hummels im Strafraum – mit den Händen in der Hüfte – viel zu weit von Hermann weg. Das war demonstrative Null-Bock-Attitüde.
Vier Bayern drumherum: So frei durfte Patrick Hermann zum Abschluss kommen.Bild: imago/Sven Simon
Dietmar Hamann, Ex-Bayern-Spieler, sagte am Sonntag bei "Sky", dass er die Befürchtung habe, dass die Mannschaft charakterlich nicht zusammenpasse: "Einige ziehen das eigene Wohl dem Gesamtwohl vor. (...) Die Spieler finden ja immer Ausreden. Alles, was ich von der fehlenden Spielidee jetzt höre, sind Alibis."
Es erinnert ein wenig an die Aussagen und die Haltung der Spieler, bevor es Ex-Trainer Carlo Ancelotti vor knapp einem Jahr an den Kragen ging: Falsches Training, fehlende Ideen, schlechte Kommunikation.
Es soll also schon wieder am Trainer liegen? Das ist zu einfach.
Bei Bayern spielen Nationalspieler, erfolgsverwöhnte Stars wie Hummels, Lewandowski, Thiago. Alle sind sie aktuell im Formtief. Selbstkritik? Fehlanzeige!
Vom vielzitierten "Mia san mia" ist auf dem Platz gerade wenig zu sehen bzw. scheint das bayerische Selbstverständnis gerade zur Selbstgefälligkeit zu verkommen. Die Sonst-Fast-Nie-Verlierer outen sich als schlechte Verlierer.
Schlimmer geht immer
Wir halten fest: Niko Kovac hat von elf Pflichtspielen als Bayern-Trainer nur zwei verloren. Das ist – für Münchner Verhältnisse – weder besonders gut, noch besonders mies.
Kovacs Bilanz ist ein kleines bisschen schlechter als die von Carlo Ancelotti aus dessen ersten elf Spielen in der Saison 2016/17 (8 Siege, 1 Unentschieden, 2 Niederlagen). Aber auch ein kleines bisschen besser als die Saisonstart-Bilanz von Louis van Gaal (Saison 2009/10: 6 Siege, 2 Unentschieden, 3 Niederlagen aus den ersten elf Pflichtspielen).
"I mog di": Karl-Heinz Rummenigge (l.) und Niko Kovac prosten sich auf der Wiesn zu. Carlo Ancelotti musste im vergangenen Jahr während des Oktoberfestes gehen. Bild: X80001/reuters
Van Gaal gelang es nach seinem wackligen Start, das Spielsystem der Bayern auf einen attraktiven, auf Ballbesitz basierenden Angriffsfußball umzustellen. Außerdem setzte er auf Talente wie Müller, Badstuber. Am Ende der Saison war Bayern Meister...
Alles halb so wild. Ruhig Blut, Bayern. Das wird schon.
Und apropos Blut: Uli Hoeneß hat Kovac nach den vier sieglosen Spielen den Rücken gestärkt: "Ich werde Niko Kovac verteidigen bis aufs Blut", sagte der Präsident dem "Kicker". Außerdem: "Bei uns herrscht die totale Ruhe." Mal sehen, wie lange noch. Die Spieler sind jetzt in der Pflicht. Sie sollten nicht versuchen, sich aus der Affäre zu ziehen.
Vielleicht ist es auch einfach das verflixte siebte Jahr?
FC Bayern: Jonathan Tah in Gesprächen mit Verantwortlichen
Dass Jonathan Tah den Werksklub verlässt, ist schon seit einigen Wochen klar. Wohin es den Nationalspieler zieht, aber nicht. Wenn es nach dem FC Bayern geht, soll er in der Bundesliga bleiben.
Spätestens seit dieser Woche ist in Leverkusen klar, dass der Werksklub in der Sommerpause vor einem großen Umbruch steht. Denn am Freitag hat Meistertrainer Xabi Alonso nun offiziell seinen Abschied verkündet. Auch wenn der Spanier es noch nicht bestätigen will, gilt als sicher, dass er sich Real Madrid anschließt.