Am Ende des Monats gibt es nur Nudeln mit Tomatensoße, für Freizeitaktivitäten oder das Kopiergeld in der Schule hat die Familie sowieso kein Geld. Viereinhalb Jahre lang hat die Familie von Nina Jaros von Hartz-IV gelebt – besonders ihre Kinder, heute sieben und neun Jahre alt, mussten darunter leiden. Nun engagiert sich Nina gegen Kinderarmut.
Es war im Februar dieses Jahres, als Nina ein Gespräch ihrer beiden Kinder hörte:
"Meine Kinder waren zu einem Kindergeburtstag eingeladen.
Meine Kinder haben schon verinnerlicht, dass für sie soziale Kontakte nur möglich sind, wenn einer von den beiden verzichtet.
Bei so etwas geht es nicht um Luxus oder um Statussymbole, sondern um ein Geschenk für fünf bis zehn Euro. Kinderarmut schmerzt."
Nachdem sie das Gespräch ihrer Kinder gehört hatte, beschloss Nina, sich "laut gegen Kinderarmut" einzusetzen. Auf Twitter initiierte sie einen eigenen Hashtag: #AufschreiGegenKinderarmut.
Der Grund: "Kindergeld kommt bei Familien, die Hartz IV erhalten, einfach nicht an. Eine Erhöhung des Kindergelds ist kein Mittel im Kampf gegen Kinderarmut. Aber so wird es gerne verkauft", sagt sie.
Deshalb haben sie und ihre Frau eine Petition gestartet. Der Wunsch: Mit Familienministerin Franziska Giffey über das Thema Kinderarmut sprechen. Und: Zeigen, dass "da Menschen sind, die gegen Kinderarmut kämpfen".
Hartz-IV-Familien müssen täglich mit Stigmatisierungen, Spott und Hohn zurechtkommen. Nina ist der Meinung, dass das dazu führen würde, dass sich Empfänger nicht trauen würden, öffentlich etwas zu sagen. Sie hätten Angst davor, in eine Schublade gesteckt zu werden.
"Der Regelsatz reicht oft nicht aus, um die realistischen Kosten,
die entstehen, zu decken. Zwar können Kosten wie Schulausflüge oder Essensgeld über 'Bildung und Teilhabe', also zusätzliches Geld vom Amt, übernommen werden – sofern der Antrag vorab gestellt wurde. Aber zum Beispiel gehören die Kosten für Musikschulen da nicht dazu.
Musikschulen
sind kommunal verwaltet und die Preise sind regional sehr unterschiedlich. Bei
uns kostet sie 80 Euro im Monat und das pro Kind. Da habe ich noch keine Noten
und kein Instrument. Mit Sozialschein muss ich 25 Prozent davon zahlen, also 20
Euro. Das sind auf den Tag gerechnet 65 Cent. Für die gesamte
Verpflegung eines Kindes habe ich aber nur 2,70 Euro am Tag. Da sind 65 Cent
wahnsinnig viel Geld"
"Wir wohnen in einer Kleinstadt. Beim Busticket gibt es keine Ermäßigung für Kinder. Das Ticket kostet so mehr als 30 Euro monatlich für jedes Kind. Das ist ein Euro am Tag. Einen Zuschuss für Bildung und Teilhabe gibt es dafür aber nicht. Und im Regelsatz ist das auch nicht enthalten. Darin sind nämlich nur Kosten für ein Sozialticket enthalten, das es bei uns in der Region gar nicht gibt. Es gibt viele Regionen, in denen es Ermäßigungen fürs Theater, Kino und ähnliches, für alle die ein Sozialticket haben, gibt. Wir müssen für sowas den vollen Preis bezahlen."
"Der Regelsatz für Kinder beträgt nur einen Bruchteil von dem für Erwachsene. Aber Kinder haben einen hohen Bedarf. Sie wachsen schnell und brauchen häufiger Kleidung. Außerdem brauchen gerade Kinder im Wachstum eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung.
Denn: Je mehr Kinder ich in einer Familie habe, umso mehr Armut herrscht vor. Man muss sich ja das gesamte Budget der Familie ansehen."
"Wir sind gebildet. Ich bin Dipl.-Ing. (FH), meine Frau hat eine abgeschlossene Ausbildung. Wir sind beide sehr gut in der Lage, die Schreiben vom Amt zu verstehen.
"Ich habe einmal in der Schule beim Kopiergeld und dem Beitrag zur Klassenkasse sagen müssen, dass ich es nicht zahlen kann. Das waren 45 Euro pro Kind. Ich habe das Glück, dass die Schulleitung sehr verständnisvoll ist und gesagt hat, dass wir das Geld erst zahlen sollen, wenn wir es haben.
"Kinderarmut ist deshalb so unsichtbar, weil die Eltern alles tun, damit man den Kindern die Armut nicht ansieht und zum Beispiel bei der Kleidung drauf achten, dass sie aussehen, wie alle anderen Kinder.
Sichtbare Einschränkungen hingegen gibt es beim sozialen Leben. Beim Spielen, bei Dingen wie Schlittschuhlaufen und ähnlichem. Das führt auch zu einer sozialen Isolation bei den Kindern. Da habe ich gemerkt: Gleich und gleich gesellt sich gern. Damit meine ich: Arme Kinder verstehen andere arme Kinder besser, weil sie wissen, dass man sich Sachen nicht leisten kann."
"Wir leben in einer Gesellschaft, in der man nicht über Armut spricht und in der man als armer Mensch nicht am sozialen Leben teilnimmt. Ich bin zum Beispiel in der Elternvertretung. Wenn wir uns einmal im Monat in der Kneipe treffen, habe ich bis Mai ein Glas Wasser bestellt, während die anderen gegessen haben. Ich hatte dafür kein Geld. Ich bin stark und kann sagen 'Ich habe kein Geld dafür'. Aber das können nur sehr wenige. Viele gehen gar nicht erst raus oder sagen dann 'Ich habe keinen Hunger'.