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Helene Fischer: Die Medien sind nicht böse, sagt der DJV-Vorsitzende Überall

Helene Fischer und Florian Silbereisen im Blitzlichtgewitter
Im Blitzlichtgewitter: Florian Silbereisen und Helene Fischer schimpfen über "die Medien", brauchen sie aber doch auch.bild: imago
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Die Medien sind nicht böse, Helene Fischer

Frank Überall* (DJV-Vorsitzender)
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Helene Fischer und Florian Silbereisen haben zur Trennung partnerschaftlich die Medien angegriffen. Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, wundert sich im Gastbeitrag für t-online.de darüber.
20.12.2018, 20:0721.06.2019, 11:28

Die Medien sind böse. So kann man das pauschale Urteil zusammenfassen, das die Schlagerstars Helene Fischer und Florian Silbereisen derzeit in den sozialen Netzwerken verbreiten. Journalistinnen und Journalisten, so klingt es in den Postings, liegen stets und überall auf der Lauer, um Klatsch und Tratsch aufzuschnappen. Und manches davon seien nur Gerüchte.

Manche User im Netz schlagen angesichts solcher Äußerungen einen Bogen zur aktuellen "Spiegel-Affäre", bei der sich ein Redakteur Teile seiner Artikel einfach ausgedacht hat.

Steht es wirklich so schlimm um Deutschlands Medienszene?

Natürlich nicht. Der Fall beim "Spiegel" ist dramatisch. Das haben die Verantwortlichen offensiv deutlich gemacht. Sie haben selbst aufgeklärt. Etliche Medien berichten darüber: Weil es eben ein Skandal ist, weil es sich um abweichendes Verhalten handelt. Was da passiert ist, ist ein klarer, vorsätzlicher Verstoß gegen die Berufsehre und alle Standards. Das ist nicht zu entschuldigen. Es ist im Einzelfall aber auch nicht zu verhindern. Manchmal dauert es leider etwas, bis man Betrügern auf die Schliche kommt.

Aber kann man das wirklich mit der Berichterstattung über Fischer und Silbereisen vergleichen? Ich denke nicht.

Denn der "Spiegel" ist ein seriöses Nachrichtenmagazin, in dem das genannte Schlagerpaar eher selten redaktionell vorkommt. Für Liebesbeziehungen oder Freizeitbeschäftigungen sind andere Medien zuständig. Auf dem journalistischen "Boulevard" gelten andere Anforderungen. Da geht es darum, das Interesse des Publikums auch im Sinne von Unterhaltung zu bedienen.

Wer sich als "Person des öffentlichen Lebens" inszeniert wie Helene Fischer und Florian Silbereisen, hat mit den glänzenden, aber auch mit den schattigen Seiten dieses Phänomens zu tun.

Wenn wir in diesen Tagen zu Hause mit der Familie am Weihnachtstisch sitzen, werden neben formalen Sachinformationen auch Gerüchte und Lästereien ausgetauscht. Und woran haben wir meist mehr Interesse? Natürlich an den schillernden Schilderungen, was den Verwandten passiert ist oder passiert sein soll! Genauso sieht es auf dem medialen "Boulevard" aus.

Man kann nicht nur das Star-Sein genießen, wie es zum Beispiel Helene Fischer tut, wenn sie sich über gelungene Fotos für die "Vogue" freut.

Man muss auch damit rechnen, dass das Privatleben beleuchtet wird, auch in schlechten Zeiten. Pauschale Medienkritik hilft dagegen nicht. Sollte sie auch nicht, denn Pressefreiheit ist ein hohes Gut, sie ist im Grundgesetz verankert.

Wer hat denn im Müll gewühlt? In unserer Verfassung ist freilich auch von Persönlichkeitsrechten die Rede. Private Mülltonnen zu durchwühlen, wie es von Florian Silbereisen gegenüber Journalisten geschildert wird, verstößt gegen diese Regeln. Es ist natürlich auch nach dem Pressekodex eine klare Verfehlung. Aber wer, bitte schön, hat das tatsächlich gemacht?

Würden es Fischer und Silbereisen ernst meinen mit ihrer Medienkritik, würden sie Namen und Fälle konkret benennen. Undifferenziert und ohne Fakten gegen Journalisten auszuteilen, mag Schlagzeilen und Aufmerksamkeit bringen – ist aber genauso unfair wie das Durchwühlen des persönlichen Abfalls.

Wenn es die Schlagerstars ernst meinten, könnten sie sich gegen Verfehlungen der Medienbranche zur Wehr setzen. Es gibt dafür Medienanwälte, es gibt aber auch die Beschwerdeausschüsse beim Deutschen Presserat. Zuweilen hilft auch die direkte Kontaktaufnahme mit einer zuständigen Redaktion, die im Verdacht von Verfehlungen steht.

Überhaupt ist es sinnvoll, redaktionelle Veröffentlichungen kritisch zur Kenntnis zu nehmen. Wer mehr weiß über die Hintergründe einer Geschichte, ist in den Redaktionen immer willkommen. Eine Mail, ein Anruf reicht in der Regel, um Hinweise oder Richtigstellungen loszuwerden.

Die Presse ist nicht für PR da

Natürlich muss man sich dann auch gefallen lassen, dass neugierig und kritisch nachgefragt wird. Die Presse ist nicht für Public Relations zuständig, ist nicht das willfährige Sprachrohr für die öffentliche Inszenierung in eigener Sache.

Solche Hinweise waren es auch, die den Skandal beim "Spiegel" aufgedeckt haben.

Wer mit voller Absicht auf die Berufsehre pfeift, trickst und täuscht, falsch oder ausgedacht berichtet, hat bei professionellen Medien nichts zu suchen. Es handelt sich bei dem delinquenten Redakteur aber um einen traurigen Einzelfall. Natürlich ist das Wasser auf die Mühlen all derer, die mit unabhängigem Journalismus nichts anzufangen wissen.

Wer ständig von "Fake News" faselt und "Lügenpresse" ruft, setzt sich nicht ernsthaft mit den redaktionellen Veröffentlichungen auseinander. Solchen Menschen geht es gar nicht darum, konstruktiv auf Fehler hinzuweisen – sie suchen ein Feindbild und finden es im Journalismus.

Keine Feindbilder konstruieren

In einer demokratischen Gesellschaft kann und darf es aber nicht um die Konstruktion von Feindbildern gehen. In jedem Bereich kann es immer Verbesserungen geben, auch beim "Spiegel" oder bei den Boulevard-Medien und deren Berichterstattung über Helene Fischer und Florian Silbereisen.

Das ist wie unter dem Weihnachtsbaum mit der Familie: Jemanden pauschal zu diffamieren, wird nicht dazu beitragen, eine freundliche Stimmung zu erzeugen und in der besten aller Welten zum Nachdenken über das eigene Verhalten anzuregen. Die Medien sind nicht böse. Und in den Redaktionen haben Menschen mit bösen Absichten nichts verloren – ganz gleich, ob sie sich Geschichten bloß ausdenken, ob sie sie fälschen oder ob sie private Abfalleimer durchwühlen.

*Der Autor Frank Überall (47) ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er berichtet als freier Journalist vor allem für WDR und ARD. An der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln lehrt der promovierte Sozialwissenschaftler als Professor Journalismus.

Dieser Text erschien zuerst auf t-online.de.

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