Er ist flink, filigran und kann das am besten, was sich jeder Mitspieler wünscht: Er lässt seine Nebenmänner besser aussehen. Luka Modric spielt Fußball für sein Team, und nicht für sich selbst. Mit raffinierten Bewegungen und cleveren Pässen lenkt er ein Spiel. Das kann Real Madrids kroatischer Dirigent so gut, dass er in diesem Jahr völlig zu Recht zum Weltfußballer gewählt wurde. Zumindest sportlich.
Nach der zehnjährigen Vorherrschaft von Lionel Messi und Cristiano Ronaldo wurde endlich wieder ein Spieler ausgezeichnet, der nicht jede Saison durch Tor-Rekorde alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Modric ist kein Selbstdarsteller, kein zutätowierter Werbestar. Es wurde ein Lenker ausgezeichnet, der die Tore erst ermöglicht. Ein 1,72 Meter kleiner Zauberfuß mit bewegter Vergangenheit. "Der Krieg, das Leben in Flüchtlingslagern, haben mich hart gemacht", sagte Modric mal, der 1991 im Kroatienkrieg sein Heimatdorf verlassen musste. "Meinen Opa Luka hat man umgebracht." (DW/Stern)
Die Romantik der Geschichte des Jungen aus Zadar, der sich aus dem Krieg zum besten Spieler der Welt hochdribbelte, ist trotzdem überdreht. Seine Genialität auf dem Platz überstrahlt sein Fehlverhalten daneben. Denn abseits des Feldes lässt der schmächtige Blondschopf seine Vorbildfunktion so schleifen wie ein gewiefter Fifa-Funktionär.
Ganz so weit weg ist Modric von seinen Weltfußballer-Vorgängern nicht: Messi und Ronaldo wurden wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt – wie Luka Modric auch.
Modric hatte sich erst vergangene Woche wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen für schuldig erklärt und eine achtmonatige Haftstrafe akzeptiert. Wie die spanische Tageszeitung "El Mundo" berichtete, soll der kroatische Vizeweltmeister bei der Vermarktung seiner Bildrechte insgesamt rund 870.000 Euro am spanischen Fiskus vorbeigeschleust haben.
Als Strafe zahlte er über eine Millionen Euro Steuern nach. Die Haftstrafe musste Modric nach einer weiteren Zahlung von 60.000 Euro nicht antreten. Bei nicht vorbestraften Verurteilten ist es in Spanien üblich, dass eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren auf Bewährung ausgesetzt wird.
Im Korruptionsprozess gegen den "Fußballpaten" Zdravko Mamic machte Modric Falschaussagen und wurde sogar selbst angeklagt.
Mamic, dem früheren Vereinschef von Dinamo Zagreb, wurde vorgeworfen, den kroatischen Serienmeister gemeinsam mit Bruder Zoran um mehr als 15 Millionen Euro betrogen zu haben. Auch beim kroatischen Staat sollen die Mamic-Brüder rund 1,5 Millionen Euro Schulden haben. Modric war wegen seines Wechsels im Jahr 2008 von Dinamo Zagreb nach Tottenham als Zeuge vernommen worden. Die Aussage von Modric war wichtig, um Mamic, einen der einflussreichsten Männer im kroatischen Fußball, aus dem Verkehr zu ziehen.
Modric hatte während der Ermittlungen ursprünglich ausgesagt, mit dem damaligen Dinamo-Boss eine Teilung des Transfererlöses vereinbart zu haben. Bei seiner Zeugenaussage vor Gericht zog Modric im Mai 2017 diese Darstellung jedoch zurück. Er sagte, er sei damals verwirrt gewesen und könne sich nun nicht mehr erinnern.
Mamic wurde später dann doch noch verurteilt. Er entzog sich dem Strafantritt aber, indem er nach Bosnien-Herzegowina floh. Modric muss noch immer wegen seiner Falschaussage fürchten: Im Falle einer Verurteilung wegen Meineids drohen dem Weltfußballer des Jahres bis zu sechs Jahre Haft.
Für den größten Skandal sorgten aber nicht die Gerichtsverhandlungen von Modric, sondern seine Rolle auf der Feier nach dem Vize-Weltmeister-Titel der kroatischen Nationalelf.
Im Triumphzug durch Zagreb feierte die Nationalmannschaft mit einer halben Millionen Kroaten. Mit auf den offenen Bussen dabei: Marko Perkovic, Kroatiens erfolgreichster Musiker – und Frontsänger der Rechtsrock-Gruppe "Thompson". Verantwortlich dafür, dass Perkovic vor Ort war: Luka Modric.
"Das war unsere erste Bedingung", erklärte Modric anschließend in einem Radiointerview: "Als klar war, dass wir hier eine große Veranstaltung haben würden, wusste ich, dass Marko Perkovic singen muss." (Welt)
Modric und seine Teamkollegen sind Fans der Band, die sich als patriotisch gibt, aber als faschistisch eingestuft wird. In den Niederlanden, Italien und der Schweiz wurden Auftritte wegen des rechtsextremen Gedankenguts in seinen Liedern verboten. "Perkovic ist Faschist und war auch nie etwas Anderes. Und seine Fans wissen das – auch wenn sie immer nur so tun, als ob er lediglich ein Patriot sei", sagt Publizist Danijel Majic zu watson. Majic setzt sich seit Jahren mit der Band auseinander.
Perkovics Werke, seine Veröffentlichungen und seine Begrüßung auf Konzerten seien durchzogen von faschistischen Anspielungen und Codes, erklärt Majic. So brachte er mal ein langersehntes Studioalbum an einem 10. April heraus – dem Jahrestag der Machtübernahme der faschistischen Ustascha in Kroatien. Auch gebe es ein Lied, das übersetzt "Bitteres Kraut auf bittere Wunden" heiße. Das sei ein Zitat, das dem Ustascha-Führer Ante Pavelic zugeschrieben wird, der damit den Massenmord an den Serben im Zweiten Weltkrieg gerechtfertigt haben soll. (Berliner Zeitung/ Deutschlandfunk)
Obwohl Politiker und Teile des Verbandes gegen den Auftritt auf der Siegesfeier waren, setzten sich Mannschaftssprecher Modric und Coach Zlatko Dalic durch. Majic fasst zusammen: "Ich kann über die politische Einstellung von Modric nur spekulieren, aber wenn man so jemanden einlädt, dann glaubt man entweder, dass er 'nur' ein Patriot ist oder einem ist es völlig egal, dass er ein Faschist ist."
Bei Modric dürfte es eher Zweiteres sein. "Die Texte von Marko Perkovic sind für alle eindeutig, die kroatisch sprechen und sich nur ein bisschen mit der Geschichte auskennen", verdeutlicht Majic.
Luka Modric ist sportlich vollkommen zu Recht zum besten Fußballer des Planeten gewählt worden. Aber besonders bei unseren verehrten Helden darf nicht vergessen werden: Moralisch sitzt Modric auf der Ersatzbank der Kreisklasse. Aber der Preis wurde eben auch von der Fifa vergeben, – die selbst von einem Korruptionsskandal in den nächsten hüpft.
(Mit Material von dpa und sid)